Sämtliche Dramen
an, die auf den Beter schaut,
Ohne von ihm zu wissen. Teure Herrin,
Laßt Euren Haß nicht meine Liebe treffen,
Weil sie dasselbe liebt wie Ihr. Nein, habt Ihr
Eu’r würdig Alter bürgt die lautre Jugend –
Jemals in solcher reinen Glut der Neigung
Treulich geliebt und keusch gehofft – daß Diana
Eins schien mit Eurer Lieb’ – oh, dann hegt Mitleid
Für sie, die ohne Wahl und Hoffnung liebt,
Alles verlierend, stets von neuem gibt;
Nie zu besitzen hofft, wonach sie strebt,
Und rätselgleich in süßem Sterben lebt.
Gräfin
.
Warst du nicht neulich Willens, nach Paris
Zu reisen? Sprich die Wahrheit!
Helena
.
Gnäd’ge Frau,
Das war ich.
Gräfin
.
Und in welcher Absicht? Sag mir’s!
Helena
.
So hört: ich schwör’s Euch bei der ew’gen Gnade!
Ihr wißt, mein Vater ließ Vorschriften mir
Von seltner Wunderkraft, wie seiner Forschung
Vielfache Prüfung als untrüglich sie
Bewährt erfand: die hat er mir vererbt,
Sie in geheimster Obhut zu bewahren,
Als Schätze, deren Kern und innrer Wert
Weit über alle Schätzung. Unter diesen
Ist ein Arkan verzeichnet, viel erprobt,
Als Gegenmittel jener Todeskrankheit,
An der der König hinwelkt.
Gräfin
.
Dies bestimmte
Dich nach Paris zu gehn?
Helena
.
Der junge Graf ließ mich daran gedenken,
Sonst hätten wohl Paris, Arznei und König
In meiner Seele Werkstatt keinen Eingang
Gefunden.
Gräfin
.
Glaubst du wirklich, Helena,
Wenn du ihm dein vermeintes Mittel böt’st,
Er werd’ es nehmen? – Er und seine Ärzte
Sind eines Sinns: Er, keiner könn’ ihm helfen,
Sie: keine Hülfe gäb’s. Wie trauten sie
’nem armen Mädchen, wenn die Schule selbst
In ihrer Weisheit Dünkel die Gefahr
Sich selber überläßt?
Helena
.
Mich treibt ein Glaube
Mehr noch als meines Vaters Kunst (des größten
In seinem Fach), daß sein vortrefflich Mittel,
Auf mich vererbt, von glücklichen Gestirnen
Geheiligt werden soll: und will Eu’r Gnaden
Mir den Versuch gestatten, setz’ ich gern
Mein Haupt zum Unterpfand für unsres Herrn
Genesung zur bestimmten Zeit.
Gräfin
.
Das glaubst du?
Helena
.
Ja, gnäd’ge Frau, gewißlich.
Gräfin
.
Nun, wohlan!
So geb’ ich Urlaub dir und Liebe mit,
Geld und Gefolg’ und Gruß an meine Freunde
Am Hofe dort; ich bleib’ indes daheim
Und fleh’ um Gottes Segen für dein Werk.
Auf morgen geh, und glaub’ mit Zuversicht:
Wo ich’s vermag, fehlt dir mein Beistand nicht.
Beide gehn ab.
¶
ZWEITER AUFZUG
Erste Szene
Paris.
Es treten auf der König von Frankreich, mehrere junge Edelleute, Bertram und Parolles. Trompeten und Zinken.
König
.
Lebt wohl, Herr; diese krieg’rische Gesinnung
Haltet mir fest; auch Ihr, Herr, lebet wohl!
Teilt unter euch den Rat; nimmt jeder alles,
Dehnt sich die Gabe den Empfängern aus
Und reicht für beide hin.
Erster Edelmann
.
Wir hoffen, Herr,
Als wohlversuchte Krieger heimzukehren
Und Eure Majestät gesund zu finden.
König
.
Nein, nein, das kann nicht sein; doch will mein Herz
Sich nicht gestehn, daß es die Krankheit hegt,
Die meinem Leben droht. Geht, junge Ritter!
Leb’ ich nun oder sterbe, seid die Söhne
Würd’ger Franzosen: zeigt dem obern Welschland,
Den Ausgearteten, die nur den Fall
Der letzten Monarchie geerbt, ihr kamet
Als Freier nicht, – nein, als der Ehre Buhlen,
Und wo der Bravste zagt, erringt das Ziel,
Daß Fama laut von euch erschall’! Lebt wohl! –
Zweiter Edelmann
.
Heil Euch, mein König! Ganz nach Euerm Wunsch! –
König
.
Die welschen Mädchen – seid auf eurer Hut! –
Der Franke, sagt man, kann, was sie verlangen,
Nicht weigern – werdet nicht Gefangene,
Bevor ihr dientet!
Beide
.
Dank für Eure Warnung! –
König
.
Lebt wohl! – Kommt her zu mir!
Der König legt sich auf ein Ruhebett.
Erster Edelmann
.
O lieber Graf! Daß Ihr nicht mit uns zieht!
Parolles
.
Schad’ um den jungen Degen!
Zweiter Edelmann
.
Edler Krieg!
Parolles
.
Höchst glorreich. Schon erlebt’ ich solchen Krieg.
Bertram
.
Man hält mich fest – und stets das alte Lied:
»Zu jung«; und »künftig Jahr«; und »noch zu früh!«
Parolles
.
Treibt dich das Herz, mein Sohn, so stiehl dich weg!
Bertram
.
Man will, ich soll den Weiberknecht agieren,
Hier auf dem Estrich meine Schuh vernutzend,
Bis Ehre weggekauft, kein Schwert getragen,
Als nur zum Tanz! – Weiß Gott, ich stehl’ mich weg!
Erster Edelmann
.
Der Diebstahl brächt’ Euch Ruhm.
Parolles
.
Begeht ihn, Graf!
Zweiter
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