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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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die Gräfin und der Haushofmeister.
    Gräfin
.
    Ach! Wie nur nahmst du diesen Brief von ihr?
    Dacht’st du nicht, daß sie täte, was sie tat,
    Weil sie den Brief mir schickte? Lies noch einmal!
    Haushofmeister
liest.
    »Sankt Jakobs Pilgrim beut Euch heil’gen Gruß!
    Weil Lieb’ und Ehrgeiz wild mein Herz zerrissen,
    Wandr’ ich auf hartem Grund mit nacktem Fuß,
    Ein fromm Gelübd’ erleichtre mein Gewissen.
    Schreibt Eurem Sohn, schreibt meinem liebsten Herrn,
    Daß er aus blut’ger Schlacht zur Heimat kehre;
    Ihn segne Frieden hier, indes ich fern
    Mit heißer Andacht seinen Namen ehre.
    Er mag verzeihn die Müh’n, die ich ihm schuf;
    Ich, seine strenge Juno, sandt’ ihn aus
    Von Lust und Scherzen hin zum Kriegsberuf,
    Wo auf den Tapfern lauert Todesgraus;
    Er ist zu schön für mich, zu schön zu sterben:
    Dies sei mein Los; er mag die Freiheit erben!«
    Gräfin
.
    Wie scharfe Stacheln in so mildem Wort!
    Reinhold, so unbedachtsam konnt’st du sein,
    Daß du sie reisen ließest: sprach ich sie,
    Ich hätte wohl sie anders noch gelenkt;
    Nun kam sie uns zuvor.
    Haushofmeister
.
    Verzeiht, Gebiet’rin!
    Gab ich den Brief Euch noch die Nacht, vielleicht
    War sie noch einzuholen; schreibt sie gleich,
    Nachspüren sei vergeblich.
    Gräfin
.
    Welch ein Engel
    Wird den unwürd’gen Gatten schützen? Keiner,
    Wenn ihr Gebet, das gern der Himmel hört
    Und gern gewährt, ihn nicht vom Zorn erlöst
    Des höchsten Richters. Schreib’, o schreib’, mein Reinhold,
    An diesen Mann, der solcher Frau nicht würdig;
    Gib ihrem Wert Gewicht durch jedes Wort,
    Denn viel zu leicht erwog er ihn; mein Leid,
    Des Größ’ er nicht empfindet, schärf ihm ein!
    Send’ ihm den sichersten, bewährt’sten Boten:
    Vielleicht, wenn er vernimmt, sie sei entflohn,
    Kommt er zurück; und wenn sie solches hört,
    Dann, hoff’ ich, lenkt auch sie den Fuß zur Heimkehr,
    Geführt von reiner Liebe. Wer von beiden
    Mir jetzt der Liebste sei, vermag ich kaum
    Zu unterscheiden. Sorge für den Boten:
    Mich beugen Gram und meines Alters Schwächen;
    Mein Schmerz will Tränen, Kummer heißt mich sprechen.
    Sie gehn ab.
    ¶

Fünfte Szene
    Vor den Toren von Florenz.
    Feldmusik in der Ferne. Es treten auf eine alte Witwe aus Florenz, Diana, Violenta, Mariana, Bürger.
    Witwe
. Kommt nur mit, denn wenn sie näher an die Stadt rücken, verlieren wir das ganze Schauspiel.
    Diana
. Man sagt, der französische Graf habe sich sehr rühmlich gehalten.
    Witwe
. Es heißt, er habe ihren ersten Feldherrn gefangen genommen und mit eigner Hand des Herzogs Bruder getötet. – Unsre Mühe ist vergeblich gewesen, sie haben einen andern Weg genommen; horch! Ihr könnt es an ihren Trompeten hören.
    Mariana
. Kommt, kehren wir wieder zurück und begnügen uns an der Erzählung! Hüte dich nur vor dem französischen Grafen, Diana; die Ehre eines Mädchens ist ihr Ruf, und kein Vermächtnis ist so reich als Ehrbarkeit.
    Witwe
. Ich habe meiner Nachbarin erzählt, wie Ihr von einem seiner Kavaliere verfolgt worden seid.
    Mariana
. Ich kenne den Schurken, der Henker hole ihn! Es ist ein gewisser Parolles, ein nichtswürdiger Helfershelfer des jungen Grafen für solche Streiche. Nimm dich vor ihnen in acht, Diana; ihre Versprechungen, Lockungen, Schwüre, Liebeszeichen und alle diese Künste der Verführung sind das nicht, wofür sie sich ausgeben; schon manche Jungfrau ist durch sie verleitet worden, und leider vermag das Beispiel, das uns verlorne Unschuld so furchtbar erblicken läßt, dennoch nicht von der Nachfolge abzuschrecken, sondern viele kleben an der Leimrute, die ihnen droht. Ich hoffe, ich brauche dich nicht weiter zu warnen; deine Tugend, hoffe ich, wird dich erhalten, wo du stehst, wäre auch keine weitre Gefahr dabei sichtbar, als der Verlust deines guten Rufs.
    Diana
. Ihr sollt nicht Ursache haben, meinetwegen besorgt zu sein.
    Helena tritt auf, als Pilgerin verkleidet.
    Witwe
. Das hoffe ich. Seht, da kommt eine Pilgerin: ich weiß, sie wird in meinem Hause herbergen wollen, dahin weisen sie stets einer den andern. Ich will sie fragen: –
    Gott grüß’ Euch, Pilgerin; wo denkt Ihr hin? –
    Helena
.
    Zum ältern Sankt Jakobus.
    Wo finden Pilger Wohnung? Sagt mir an!
    Witwe
.
    Beim Franziskanerkloster, hier am Tor.
    Helena
.
    Ist dies der Weg?
    Witwe
.
    Jawohl, das ist er. – Horcht!
    Kriegsmusik in der Ferne.
    Sie kommen doch hieher. Wollt Ihr noch warten,
    Bis daß der Zug vorüber,
    So zeig’ ich Euch den Weg in Eu’r

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