Sämtliche Dramen
Narr, wo du dich jemals um mich verdient machen willst, hilf mir zu einem Lichte, zu Feder, Tinte und Papier! So wahr ich ein ehrlicher Mann bin, ich will dir noch einmal dankbar dafür sein.
Narr
. Der Herr Malvolio? –
Malvolio
. Ja, lieber Narr.
Narr
. Ach, Herr, wie seid Ihr doch um Eure fünf Sinne gekommen?
Malvolio
. Niemals hat man einem so abscheulich mitgespielt. Ich bin ebenso gut bei Sinnen wie du, Narr.
Narr
. Nur ebenso gut? So seid Ihr wahrhaftig unklug, wenn Ihr nicht besser bei Sinnen seid als ein Narr.
Malvolio
. Sie haben mich hier eingesperrt, halten mich im Finstern, schicken Geistliche zu mir, Eselsköpfe, und tun alles, was sie können, um mich aus meinen Sinnen herauszuhetzen.
Narr
. Bedenkt, was Ihr sagt: der Geistliche ist hier. – »Malvolio, Malvolio, deinen Verstand stelle der Himmel wieder her! Bringe dich zum Schlafen! und laß ab von deinem eiteln Geplapper!«
Malvolio
. Herr Pfarrer –
Narr
. »Führe kein Gespräch mit ihm, mein guter Freund!« – Wer? ich, Herr? Nein, gewiß nicht. Gott geleite Euch, Herr Pfarrer! – »Amen, sage ich.« – Gut, das will ich tun.
Malvolio
. Narr, Narr, Narr, sage ich –
Narr
. Ach, lieber Herr, seid ruhig! Was sagt Ihr? Ich werde ausgeschmält, weil ich mit Euch rede.
Malvolio
. Lieber Narr, verhilf mir zu einem bißchen Licht und Papier! Ich sage dir, ich bin so gut bei Verstande als irgendeiner in Illyrien.
Narr
. Du meine Zeit! wenn das doch wahr wäre!
Malvolio
. Auf mein Wort, ich bin’s. Lieber Narr, schaff’ mir Tinte, Papier und Licht, und überbringe dem Fräulein, was ich aufsetzen will: es soll dir auch den besten Briefträgerlohn einbringen.
Narr
. Ich will Euch dazu verhelfen, aber sagt mir aufrichtig: seid Ihr wirklich nicht unklug, oder tut Ihr nur so?
Malvolio
. Glaub’ mir, ich sage dir die Wahrheit.
Narr
. Ei, ich will einem unklugen Menschen niemals trauen, bis ich sein Gehirn sehe. Ich will Euch Licht, Papier und Tinte holen.
Malvolio
. Narr, ich will dich aufs beste dafür belohnen. Ich bitte dich, geh!
Narr
singt.
Ich bin fort, Herr,
Und aufs Wort, Herr,
Ich bin gleich wieder da.
Daran hegt keinen Zweifel,
Denn ich trotze dem Teufel
Und seiner Frau Großmama.
Ab.
¶
Dritte Szene
Olivias Garten.
Sebastian tritt auf.
Sebastian
.
Dies ist die Luft, dies ist die lichte Sonne;
Dies Kleinod gab sie mir, ich fühl’, ich seh’ es:
Und ob mich schon Bezauberung umstrickt,
Ist’s doch kein Wahnsinn. Wo ist wohl Antonio?
Ich konnt’ ihn nicht im Elefanten finden.
Doch war er da: man gab mir den Bescheid,
Er streife durch die Stadt, mich aufzusuchen.
Jetzt eben wär’ sein Rat mir Goldes wert:
Denn überlegt mein Geist schon mit den Sinnen,
Daß dies ein Irrtum sein kann, doch kein Wahnsinn,
So übersteigt doch diese Flut von Glück
In solchem Grade Beispiel und Begriff,
Ich hätte Lust, den Augen mißzutrauen
Und die Vernunft zu schelten, die ein andres
Mich glauben machen will, als ich sei toll,
Wo nicht, das Fräulein toll: doch wäre dies,
Sie könnte Haus und Diener nicht regieren,
Bestellungen besorgen und empfangen,
Mit solchem stillen, weisen, festen Gang,
Wie ich doch merke, daß sie tut. Hier steckt
Ein Trug verborgen. Doch da kommt das Fräulein.
Olivia kommt mit einem Priester.
Olivia
.
Verzeiht mir diese Eile: meint Ihr’s gut,
So geht mit mir und diesem heil’gen Mann
In die Kapelle neben an, und dort,
Vor ihm und unter dem geweihten Dach,
Verbürget feierlich mir Eure Treu’,
Daß mein ungläub’ges, allzu banges Herz
Zur Ruh’ gelangen mag. Er soll’s verbergen,
Bis Ihr gesonnen seid, es kund zu machen,
Und um die Zeit soll meinem Stand gemäß
Die Feier unsrer Hochzeit sein. – Was sagt Ihr?
Sebastian
.
Ich geh’ mit Euch und diesem guten Alten,
Will Treue schwören und sie ewig halten.
Olivia
.
So führ’ uns, Vater! – Mag des Himmels Schein
Zu dieser Tat uns freundlich Segen leihn!
Alle ab.
¶
FÜNFTER AUFZUG
Erste Szene
Vor Olivias Hause.
Der Narr und Fabio.
Fabio
. Wenn du mich lieb hast, laß mich seinen Brief sehen!
Narr
. Lieber Herr Fabio, tut mir dafür einen andern Gefallen!
Fabio
. Was du willst.
Narr
. Verlangt nicht, diesen Brief zu sehn!
Fabio
. Das heißt, du schenkst mir einen Hund, und foderst nachher zur Belohnung den Hund wieder.
Der Herzog, Viola und Gefolge treten auf.
Herzog
. Gehört ihr dem Fräulein Olivia an, Freunde?
Narr
. Ja, Herr, wir sind ein Teil ihres Hausrates.
Herzog
. Ich kenne
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