Sämtliche Dramen
Tobias angestiftet.
Viola
.
Was wollt Ihr mir? Ich tat Euch nichts zu Leid:
Ihr zogt ohn’ Ursach’ gegen mich den Degen,
Ich gab Euch gute Wort’ und tat Euch nichts.
Junker Christoph
. Wenn eine blutige Krone was Leides ist, so habt Ihr mir was zu Leide getan. Ich denke, es kommt nichts einer blutigen Krone bei.
Junker Tobias kommt, betrunken und von dem Narren geführt.
Da kommt Junker Tobias angehinkt, Ihr sollt noch mehr zu hören kriegen. Wenn er nicht was im Kopfe gehabt hätte, so sollte er Euch wohl auf ’ne andre Manier haben tanzen lassen.
Herzog
. Nun, Junker, wie steht’s mit Euch?
Junker Tobias
. Es ist all eins: er hat mich verwundet und damit gut. – Schöps, hast du Görgen den Feldscherer gesehn, Schöps?
Narr
. Oh, der ist betrunken, Junker Tobias, schon über eine Stunde; seine Augen waren früh um acht schon untergegangen.
Junker Tobias
. So ist er ein Schlingel und eine Schlafmütze. Nichts abscheulicher als so’n betrunkner Schlingel!
Olivia
. Fort mit ihm! Wer hat sie so übel zugerichtet?
Junker Christoph
. Ich will Euch helfen, Junker Tobias, wir wollen uns zusammen verbinden lassen.
Junker Tobias
. Wollt Ihr helfen? – Ein Eselskopf, ein Hasenfuß und ein Schuft! ein lederner Schuft! ein Pinsel!
Olivia
. Bringt ihn zu Bett und sorgt für seine Wunde!
Der Narr, Junker Tobias und Junker Christoph ab. Sebastian kommt.
Sebastian
.
Es tut mir leid um Euers Vetters Wunde,
Doch wär’s der Bruder meines Bluts gewesen,
Ich konnte nicht mit Sicherheit umhin.
Ihr blicket fremd mich an, mein Fräulein, und
Daran bemerk’ ich, daß es Euch beleidigt.
Verzeiht mir, Holde, jener Schwüre wegen,
Die wir einander eben nur getan.
Herzog
.
Gesicht, Ton, Kleidung eins, doch zwei Personen:
Ein wahrer Gaukelschein, der ist und nicht ist!
Sebastian
.
Antonio! Oh, mein teuerster Antonio!
Wie haben nicht die Stunden mich gefoltert,
Seitdem ich Euch verlor!
Antonio
.
Seid Ihr Sebastian?
Sebastian
.
Wie? zweifelst du daran, Antonio?
Antonio
.
Wie habt Ihr denn Euch von Euch selbst getrennt?
Ein Ei ist ja dem andern nicht so gleich
Als diese zwei Geschöpfe. Wer von beiden
Ist nun Sebastian?
Olivia
.
Höchst wunderbar!
Sebastian
.
Steh’ ich auch dort? Nie hatt’ ich einen Bruder,
Noch trag’ ich solche Göttlichkeit in mir,
Daß von mir gölte: hier und überall.
Ich hatte eine Schwester, doch sie ist
Von blinden Wellen auf der See verschlungen.
Zu Viola.
Um Gottes willen, seid Ihr mir verwandt?
Aus welchem Land? Wes Namens? Wes Geschlechts?
Viola
.
Von Metelin; Sebastian war mein Vater.
Solch ein Sebastian war mein Bruder auch.
Den Anzug nahm er in sein feuchtes Grab,
Und kann ein Geist Gestalt und Tracht erborgen,
So kommt Ihr, uns zu schrecken.
Sebastian
.
Ja, ich bin ein Geist,
Doch in den Körper fleischlich noch gehüllt,
Der von der Mutter Schoß mir angehört.
Wärt Ihr ein Weib, da alles andre zutrifft,
Ich ließ’ auf Eure Wangen Tränen fallen,
Und spräch’: Viola, sei, Ertrunkne, mir willkommen!
Viola
.
Mein Vater hatt’ ein Mal auf seiner Stirn.
Sebastian
.
Das hatt’ auch meiner.
Viola
.
Und starb den Tag, als dreizehn Jahr Viola
Seit der Geburt gezählt.
Sebastian
.
Oh, die Erinn’rung lebt in meiner Seele!
Ja, er verließ die Sterblichkeit den Tag,
Der meiner Schwester dreizehn Jahre gab.
Viola
.
Steht nichts im Weg, uns beide zu beglücken,
Als diese angenommne Männertracht,
Umarmt mich dennoch nicht, bis jeder Umstand
Von Lage, Zeit und Ort sich fügt und trifft,
Daß ich Viola bin; dies zu bestärken,
Führ’ ich Euch hin zu einem Schiffspatron
Am Ort hier, wo mein Mädchenanzug liegt.
Durch seine güt’ge Hülf’ errettet, kam
Ich in die Dienste dieses edlen Grafen;
Und was seitdem sich mit mir zugetragen,
War zwischen dieser Dam’ und diesem Herrn.
Sebastian
.
So kam es, Fräulein, daß Ihr Euch geirrt,
Doch die Natur folgt’ ihrem Zug hierin.
Ihr wolltet einer Jungfrau Euch verbinden,
Und seid darin, beim Himmel! nicht betrogen:
Jungfräulich ist der Euch vermählte Mann.
Herzog
.
Seid nicht bestürzt! Er stammt aus edlem Blut. –
Wenn dies so ist, und noch scheint alles wahr,
So hab’ ich teil an diesem frohen Schiffbruch.
Zu Viola.
Du hast mir, Junge, tausendmal gesagt,
Du würd’st ein Weib nie lieben so wie mich.
Viola
.
Und all die Worte will ich gern beschwören,
Und all die Schwüre treu im Herzen halten,
Wie die gewölbte Feste dort das Licht,
Das Tag’
Weitere Kostenlose Bücher