Sämtliche Dramen
und Nächte scheidet.
Herzog
.
Gib mir deine Hand,
Und laß mich dich in Mädchenkleidern sehn!
Viola
.
Der Schiffspatron, der hier an Land mich brachte,
Bewahrt sie; er ist wegen eines Handels
Jetzt in Verhaft, auf Foderung Malvolios,
Der einen Ehrendienst beim Fräulein hat.
Olivia
.
Er soll ihn gleich in Freiheit setzen: ruft
Malvolio her! – Ach, nun erinnr’ ich mich,
Der arme Mann soll ganz von Sinnen sein.
Der Narr kommt zurück mit einem Briefe.
Ein höchst zerstreu’nder Wahnsinn in mir selbst
Verbannte seinen ganz aus meinem Geist. –
Was macht er, Bursch?
Narr
. Wahrhaftig, gnädiges Fräulein, er hält sich den Belzebub so gut vom Leibe, als ein Mensch in seinen Umständen nur irgend kann. Er hat Euch da einen Brief geschrieben, ich hätte ihn schon heute morgen übergeben sollen; aber Briefe von Tollen sind kein Evangelium, also kommt nicht viel darauf an, wann sie bestellt werden.
Olivia
. Mach’ ihn auf und lies!
Narr
. Nun erbaut Euch recht, wenn der Narr den Tollen vorträgt: – »Bei Gott, Fräulein!« –
Olivia
. Was ist dir? Bist du toll?
Narr
. Nein, Fräulein, ich lese nur Tollheit. Wenn Euer Gnaden beliebt, daß ich es gehörig machen soll, so muß meine Stimme freien Lauf haben.
Olivia
. Sei so gut und lies bei gesundem Verstande!
Narr
. Das tu’ ich, Madonna: aber um seinen gesunden Verstand zu lesen, muß man so lesen. Also erwägt, meine Prinzessin, und merkt auf!
Olivia
. Lest Ihr es, Fabio!
Fabio
liest. »Bei Gott, Fräulein, Ihr tut mir unrecht, und die Welt soll es wissen. Habt Ihr mich schon in ein dunkles Loch gesperrt und Euerm betrunknen Vetter Aufsicht über mich gegeben, so habe ich doch den Gebrauch meiner Sinne ebenso gut als Euer Gnaden. Ich habe Euern eignen Brief, der mich zu dem angenommenen Betragen bewogen hat, und bin gewiß, daß ich mich damit rechtfertigen und Euch beschämen kann. Denkt von mir, wie Ihr wollt! Ich stelle meine Ehrerbietung auf einen Augenblick beiseite, und rede nach der zugefügten Beleidigung.
Der toll-behandelte Malvolio.«
Olivia
. Hat er das geschrieben?
Narr
. Ja, Fräulein.
Herzog
. Das schmeckt nicht sehr nach Verrücktheit.
Olivia
.
Setz’ ihn in Freiheit, Fabio, bring’ ihn her! –
Fabio ab.
Mein Fürst, beliebt’s Euch, nach erwogner Sache
Als Schwester mich statt Gattin anzusehn,
So krön’ ein Tag den Bund, wenn’s Euch beliebt,
In meinem Hause und auf meine Kosten.
Herzog
.
Eu’r Antrag, Fräulein, ist mir höchst willkommen.
Zu Viola.
Eu’r Herr entläßt Euch: für die getanen Dienste,
Ganz streitend mit der Schüchternheit des Weibes,
Tief unter der gewohnten zarten Pflege,
Und weil Ihr mich so lange Herr genannt,
Nehmt meine Hand hier, und von jetzo an
Seid Euers Herrn Herr.
Olivia
.
Schwester? – Ja, Ihr seid’s.
Fabio kommt mit Malvolio zurück.
Herzog
.
Ist der da der Verrückte?
Olivia
.
Ja, mein Fürst.
Wie steht’s, Malvolio?
Malvolio
.
Fräulein, Ihr habt mir Unrecht angetan,
Groß Unrecht.
Olivia
.
Hab’ ich das, Malvolio? Nein.
Malvolio
.
Ihr habt es, Fräulein; lest nur diesen Brief!
Ihr dürft nicht leugnen, dies ist Eure Hand;
Schreibt anders, wenn Ihr könnt, in Stil und Zügen,
Sagt, Siegel und Erfindung sei nicht Euer.
Ihr könnt es nicht: wohlan, gesteht es denn
Und sagt mir um der Sitt’ und Ehre willen,
Was gebt Ihr mir so klare Gunstbeweise,
Empfehlt mir, lächelnd vor Euch zu erscheinen,
Die Gürtel kreuzweis und in gelben Strümpfen,
Und gegen Euern Vetter stolz zu tun
Und das geringre Volk; und da ich dies
In untertän’ger Hoffnung ausgeführt:
Weswegen ließt Ihr mich gefangen setzen,
Ins Dunkle sperren, schicktet mir den Priester,
Und machtet mich zum ärgsten Narr’n und Gecken,
An dem der Witz sich jemals übte? Sagt!
Olivia
.
Ach, guter Freund! Dies ist nicht meine Hand,
Obschon, ich muß gestehn, die Züg’ ihr gleichen;
Doch ohne Zweifel ist’s Marias Hand.
Und nun besinn’ ich mich, sie sagte mir
Zuerst, du seist verrückt; dann kamst du lächelnd,
Und in dem Anzug, den man in dem Brief
An dir gerühmt. Ich bitte dich, sei ruhig!
Es ist dir ein durchtriebner Streich gespielt;
Doch kennen wir davon die Täter erst,
So sollst du beides, Kläger sein und Richter
In eigner Sache.
Fabio
.
Hört mich, wertes Fräulein,
Und laßt kein Hadern, keinen künft’gen Zank
Den Glanz der gegenwärt’gen Stunde trüben,
Worüber ich erstaunt. In dieser Hoffnung
Bekenn’ ich frei, ich und Tobias
Weitere Kostenlose Bücher