Sämtliche Dramen
Stück; wenn ich auch kein Studierter bin, so kann ich doch so ein Kammerjungferstückchen herauslesen. Das ist so eine Treppenarbeit, so eine Schrankarbeit, so hinter der Tür gearbeitet; sie waren wärmer, die dies zeugten, als das arme Ding hier ist. Ich will es aus Mitleid aufnehmen: doch will ich warten, bis mein Sohn kommt, er schrie noch eben dort. Holla hohl
Der junge Schäfer kommt.
Der junge Schäfer
. Holla hoh!
Der alte Schäfer
. Was, bist so nah? Wenn du was sehen willst, wovon man noch reden wird, wenn du tot und verfault bist, komm hieher! Was fehlt dir, Bengel?
Der junge Schäfer
. Ich habe zwei solche Gesichte gesehen, zur See und zu Lande, – aber ich kann nicht sagen »See«, denn es ist nur Himmel, und man kann dazwischen keine Nadelspitze stecken.
Der alte Schäfer
. Nun, Junge, was ist es denn?
Der junge Schäfer
. Ich wollte, Ihr könntet sehen, wie es schäumt, wie es wütet, wie es das Ufer herauf kommt! Aber das ist noch nicht das Rechte: oh, das höchst klägliche Geschrei der armen Seelen! Bald sie zu sehen, bald nicht zu sehen: nun das Schiff mit seinem Hauptmast den Mond anbohren, und gleich jetzt verschlungen von Gischt und Schaum, als wenn man einen Stöpsel in ein Oxhoft würfe. Und dann die Landgeschichte, – zu sehn, wie ihm der Bär das Schulterblatt ausriß, wie er zu mir um Hülfe schrie und sagte, er heiße Antigonus, ein Edelmann. – Aber mit dem Schiff zu Ende zu kommen, – zu sehen, wie die See es einschluckte, – aber erst, wie die armen Seelen brüllten und die See sie verhöhnte, – und wie der arme Herr brüllte und der Bär ihn verhöhnte, und sie beide lauter brüllten als See und Sturm.
Der alte Schäfer
. Um Gottes willen, wann war das, Junge?
Der junge Schäfer
. Jetzt, jetzt; ich habe nicht mit den Augen geblinkt, seit ich diese Geschichte sah: die Menschen sind noch nicht kalt unter dem Wasser, noch der Bär halb satt von dem Herrn: er ist noch dabei.
Der alte Schäfer
. Ich wollte, ich wäre da gewesen, um dem alten Mann zu helfen!
Der junge Schäfer
. Ich wollte, Ihr wäret neben dem Schiff gewesen, um da zu helfen: da hätte Euer Mitleid keinen Grund und Boden gefunden.
Der alte Schäfer
. Schlimme Geschichten! schlimme Geschichten! Aber sieh hier, Junge! Nun sperr’ die Augen auf, du kommst, wo’s zum Tode geht, ich, wo was Neugebornes ist. Hier ist ein anderes Gesicht für dich; sieh doch, ein Taufkleid, wie für eines Edelmanns Kind! Schau her, nimm auf, nimm auf, Junge; bind’ es auf! So, laß sehn: es wurde mir prophezeit, ich sollte reich werden durch die Feen; das ist ein Wechselkind: – bind’ es auf: was ist darin, Junge?
Der junge Schäfer
. Ihr seid ein gemachter alter Mann; wenn die Sünden Eurer Jugend Euch vergeben sind, so werdet Ihr gute Tage haben. Gold! lauter Gold!
Der alte Schäfer
. Das ist Feengold, Junge, und das wird sich zeigen: fort damit, halt’ es fest; nach Hause, nach Hause, auf dem nächsten Weg! Wir sind glücklich, Junge, und um es immer zu bleiben, ist nichts nötig, als Verschwiegenheit. Laß die Schafe nur laufen! – Komm, guter Junge, den nächsten Weg zu Hause!
Der junge Schäfer
. Geht Ihr mit Eurem Fund den nächsten Weg; ich will nachsehen, ob der Bär von dem Herrn weg gegangen ist, und wie viel er gefressen hat: sie sind nur schlimm, wenn sie hungrig sind; wenn noch etwas von ihm übrig ist, so will ich’s begraben.
Der alte Schäfer
. Das ist eine gute Tat; wenn du an dem, was von ihm übrig geblieben ist, unterscheiden kannst, was er ist, so hole mich, es auch zu sehn.
Der junge Schäfer
. Schon gut, das will ich, und Ihr sollt helfen, ihn unter die Erde bringen.
Der alte Schäfer
. Das ist ein Glückstag, Junge, an dem wollen wir auch Gutes tun.
Sie gehn ab.
Die Zeit tritt auf als Chorus.
Zeit
.
Ich, die ich alles prüfe, Gut’ und Böse,
Erfreu’ und schrecke, Irrtum schaff’ und löse;
Ich übernehm’ es, unterm Namen Zeit
Die Schwingen zu entfalten. Drum verzeiht
Mir und dem schnellen Flug, daß sechzehn Jahre
Ich überspring’ und nichts euch offenbare
Von dieser weiten Kluft, da meine Stärke
Gesetze stürzt, in einer Stund’ auch Werke
Und Sitten pflanzt und tilgt. So seht mich an,
Wie stets ich war, eh’ Ordnung noch begann,
So alt’ als neue: denn ich sah die Stunde,
Die sie hervorgebracht; so geb’ ich Kunde
Von dem, was jetzt geschieht; durch mich erbleicht
Der Glanz der Gegenwart, in Dunkel weicht,
Was jetzt hier vorgestellt. Dies
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