Sämtliche Dramen
schweigst; denn sie war mild,
Wie Kindheit und wie Gnade. – Doch, Paulina,
Hermione war nicht gealtert, so
Wie dieses Bildnis scheint.
Polyxenes
.
Nein, wahrlich nicht.
Paulina
.
Um so viel höher steht des Bildners Kunst,
Der sechzehn Jahre überhüpft, sie schaffend,
Als lebte jetzt sie.
Leontes
.
Wie sie jetzt noch könnte,
Zum süßen Trost mir, so wie nun der Anblick
Mein Herz durchschneidet. Oh! so stand sie da,
In so lebend’ger Hoheit (warmes Leben.
Was kalt nun da steht), als zuerst ich warb.
Ich bin beschämt: wirft nicht der Stein mir vor,
Ich sei mehr Stein als er? – Oh, fürstlich Bild,
In deiner Majestät ist Zaubermacht,
Die meine Sünden neu herauf beschwört,
Dein staunend Kind der Lebenskraft beraubt,
Daß sie da steht, ein Stein wie du!
Perdita
.
Vergönnt:
Und nennt’s nicht Aberglauben, wenn ich knie’
Und bitt’ um ihren Segen! – Teure Kön’gin,
Die endete, als ich begann zu leben,
Reich’ mir die Hand zum Kuß!
Paulina
.
Oh, nicht so rasch!
Das Bild ist kürzlich erst vollendet, noch
Sind nicht die Farben trocken.
Camillo
.
Mein Fürst, Eu’r Schmerz ist allzu tief gewurzelt;
Da sechzehn Winterstürm’ ihn nicht verweht,
Noch sechzehn Sommer ausgetrocknet: kaum
Lebt Freude je so lang’, und Kummer nie,
Er bringt sich früher selber um.
Polyxenes
.
Mein Bruder,
Laßt ihm, der Ursach’ hiezu gab, das Recht,
So viel des Grams Euch zu erleichtern, als
Er gerne mit Euch trägt.
Paulina
.
Gewiß, mein König,
Hätt’ ich gewußt, daß dies mein armes Bild
Euch so bewegte (denn der Stein ist mein),
Ich hätt’ es nicht gezeigt.
Leontes
.
Zieh’ nicht den Vorhang!
Paulina
.
Ihr sollt nicht länger schaun; in der Verzückung
Glaubt Ihr am End’, es regt sich.
Leontes
.
Laß, o laß!
Könnte mein Tod – doch sieh, – mich dünkt bereits –
Wer war es, der dies schuf? – O seht, mein Fürst,
Ist’s nicht, als ob es atmet? warmes Blut
Durch diese Adern fließt?
Polyxenes
.
Ein Meisterwerk:
Das Leben selbst spielt warm auf ihrer Lippe.
Leontes
.
Der Glanz in ihrem Auge hat Bewegung.
Kann uns die Kunst so täuschen?
Paulina
.
Ich verhüll’ es;
Mein König ist so außer Fassung; endlich
Denkt er noch gar, es lebt.
Leontes
.
O teure Freundin,
Mach’, daß ich immer zwanzig Jahr so denke;
Nicht die Vernunft der ganzen Welt kommt gleich
Der Wonne dieses Wahnsinns. Zieh’ nicht vor!
Paulina
.
Es ängstet mich, daß ich Euch so erregt:
Ich könnt’ Euch stärker noch erschüttern.
Leontes
.
Tu’s;
Denn dies Erschüttern ist so süße Kost,
Wie je ein Labetrunk. – Mich dünkt noch immer,
Es atmet von ihr her: welch zarter Meißel
Grub jemals Hauch? Oh, spottet meiner nicht,
Ich will sie küssen.
Paulina
.
Nicht doch, teurer Fürst:
Die Röt’ auf ihren Lippen ist noch naß;
Eu’r Kuß verdirbt es, und gibt Euch von Öl
Und Farbe Flecken. Schließ’ ich jetzt den Vorhang?
Leontes
.
Die zwanzig Jahre nicht.
Perdita
.
Auch ich ständ’ hier
So lange wohl, es anzuschaun.
Paulina
.
Verlaßt
Die Halle jetzt; wo nicht, bereitet Euch
Auf größres Staunen: wenn Ihr’s tragen könnt,
So mach’ ich, daß das Bild sich regt, herab steigt,
Und Eure Hand ergreift: doch glaubt Ihr dann
(Was ich abschwören mag), ich steh’ im Bund
Mit böser Macht.
Leontes
.
Was du sie heißest tun,
Das seh’ ich an mit Freuden; was sie sprechen,
Das hör’ ich an mit Freuden: denn so leicht
Machst du sie sprechen wohl, als gehn.
Paulina
.
Ihr müßt
Den Glauben wecken: und nun alle still;
Und die, so für ein unerlaubt Beginnen
Dies halten, mögen fort gehn.
Leontes
.
Säume nicht:
Jedweder bleibe!
Paulina
.
Wecke sie, Musik!
Musik.
Zeit ist’s: sei nicht mehr Stein, komm, steig’ herab;
Füll’ alle, die dich sehn, mit Staunen! Nahe,
Dein Grab verschließ’ ich: nun, so komm doch her;
Dem Tod vermach’ dein Starrsein, denn von ihm
Erlöst dich frohes Leben. – Schaut, sie regt sich.
Hermione steigt herab.
Erschreckt nicht: heilig ist ihr Tun, und auch
Mein Zauberspruch ist fromm: nicht kehrt Euch von ihr,
Sonst seht Ihr wiederum sie sterben; dann
Habt Ihr sie zweimal umgebracht. Die Hand her:
Als sie noch jung, da warbt Ihr; jetzt, im Alter,
Muß sie das Frein beginnen.
Leontes
indem er sie umarmt.
Sie ist warm!
Ist dies Magie, so sei sie eine Kunst,
Erlaubt wie Essen.
Polyxenes
.
Sie umarmt ihn wirklich.
Camillo
.
Sie hängt an seinem Hals;
Und lebt sie dann,
Weitere Kostenlose Bücher