Sämtliche Dramen
Botschaft,
Wo nicht der Dauphin gegenwärtig ist,
Den ich ausdrücklich zu begrüßen habe.
König Karl
.
Was uns betrifft, wir wollen dies erwägen;
Wir geben morgen den Bescheid Euch mit
An unsern Bruder England.
Dauphin
.
Was den Dauphin,
So steh’ ich hier für ihn: was schickt ihm England?
Exeter
.
Des Trotzes, der Verachtung und des Hohns
Und alles des, was nicht mißziemen mag
Dem großen Sender, schätzet er Euch wert.
So spricht mein Fürst; wenn Eures Vaters Hoheit
Nicht durch Gewährung aller Foderungen
Den bittern Spott versüßt, den Ihr an ihn gesandt,
Wird er zu heißer Rechenschaft Euch ziehn,
Daß Frankreichs bauchige Gewölb’ und Höhlen
Euch schelten sollen und den Spott zurück
In seiner Stücke zweitem Hall Euch geben.
Dauphin
.
Sagt, wenn mein Vater freundlich Antwort gibt,
Sei’s wider meinen Willen; denn mir liegt
An nichts als Zwist mit England: zu dem Ende,
Als seiner eitlen Jugend angemessen,
Sandt’ ich ihm die Pariser Bälle zu.
Exeter
.
Dafür wird Eu’r Pariser Louvre zittern,
Wär’s auch Europas hoher Oberhof.
Und glaubt, Ihr werdet einen Abstand finden
(Wie wir, sein Volk, erstaunt gefunden haben)
Von der Verheißung seiner jüngern Tage
Und denen, die er jetzt zu meistern weiß.
Er wägt die Zeit jetzt auf ein Körnchen ab,
Was Ihr in Euren eignen Niederlagen
Erfahren sollt, wenn er in Frankreich bleibt.
König Karl
.
Auf morgen sollt Ihr unsre Meinung wissen.
Exeter
.
Entlaßt uns eilig, daß nicht unser König
Nach dem Verzug zu fragen selber komme,
Denn Fuß hat er im Lande schon gefaßt.
König Karl
.
Ihr sollt entlassen werden alsobald
Mit einem bill’gen Antrag; eine Nacht
Ist nur ein Odemzug und kurze Frist,
Um auf so wicht’ge Dinge zu erwidern.
Alle ab.
¶
DRITTER AUFZUG
Chorus
tritt auf.
So fliegt auf eingebild’ten Fittigen
Die rasche Szene mit nicht minder Eil’
Als der Gedanke. Stellt euch vor, ihr saht
Am Hampton-Damm den wohlverseh’nen König
Sein Königtum einschiffen, sein Geschwader
Den jungen Tag mit seidnen Wimpeln fächeln.
Spielt mit der Phantasie, und seht in ihr
Am hänfnen Tauwerk Schifferjungen klettern;
Die helle Pfeife hört, die Ordnung schafft
Verwirrten Lauten; seht die Leinensegel,
Die unsichtbare Winde schleichend heben,
Durch die gefurchte See die großen Kiele,
Den Fluten trotzend, ziehn. Oh, denket nur,
Ihr steht am Strand und sehet eine Stadt
Hintanzen auf den unbeständ’gen Wogen;
Denn so erscheint die majestät’sche Flotte,
Den Lauf nach Harfleur wendend. Folgt ihr! Folgt ihr!
Hakt euch im Geist an dieser Flotte Steuer,
Verlaßt eu’r England, still wie Mitternacht,
Bewacht von Greisen, Kindern, alten Frau’n,
Wo Mark und Kraft noch fehlt und schon verging;
Denn wer, dem nur ein einzig keimend Haar
Das Kinn begabt, ist nicht bereit, nach Frankreich
Der auserlesnen Ritterschaft zu folgen?
Auf, auf, im Geist! Seht einer Stadt Belag’rung.
Seht das Geschütz auf den Lafetten stehn,
Auf Harfleur mit den Mündern tödlich gähnend.
Denkt, der Gesandt’ aus Frankreich sei zurück
Und meld’ an Heinrich, daß der König ihm
Antrage seine Tochter Katharina,
Mit ihr zum Brautschatz ein paar Herzogtümer,
So klein und unersprießlich. Das Erbieten
Gefällt nicht, und der schnelle Kanonier
Rührt mit der Lunte nun die höll’schen Stücke,
Getümmel. Es werden Kanonen abgefeuert.
Die alles niederschmettern. Bleibt geneigt!
Eu’r Sinn ergänze, was die Bühne zeigt.
Ab.
¶
Erste Szene
Frankreich. Vor Harfleur.
Getümmel. König Heinrich, Exeter, Bedford, Gloster und Soldaten mit Sturmleitern.
König Heinrich
.
Noch einmal stürmt, noch einmal, lieben Freunde!
Sonst füllt mit toten Englischen die Mauer!
Im Frieden kann so wohl nichts einem Mann
Als Demut und bescheidne Stille kleiden;
Doch bläst des Krieges Wetter euch ins Ohr,
Dann ahmt den Tiger nach in seinem Tun;
Spannt eure Sehnen, ruft das Blut herbei,
Entstellt die liebliche Natur mit Wut,
Dann leiht dem Auge einen Schreckensblick
Und laßt es durch des Hauptes Bollwerk spähn
Wie ehernes Geschütz; die Braue schatt’ es
So furchtbarlich, wie ein zerfreßner Fels
Weit vorhängt über seinen schwachen Fuß,
Vom wilden, wüsten Ozean umwühlt.
Nun knirscht die Zähne, schwellt die Nüstern auf,
Den Atem hemmt, spannt alle Lebensgeister
Zur vollen Höh’! – Auf, Englische von Adel!
Das Blut von kriegbewährten Vätern hegend,
Von Vätern, die, wie so viel’
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