Sämtliche Dramen
tot? So bring’ ich selbst mich um,
Weil ich hier müßig lebt’ in Pomp und Ruh’.
Indes ein würd’ger Feldherr, hülfsbedürftig,
Verzagten Feinden so verraten ward.
Dritter Bote
.
O nein, er lebt, allein er ist gefangen,
Mit ihm Lord Scales und Lord Hungerford;
Der Rest auch meist erschlagen und gefangen.
Bedford
.
Ich zahle seine Lösung, niemand sonst.
Ich will vom Thron den Dauphin häuptlings reißen,
Mit seiner Krone lös’ ich meinen Freund;
Für einen Lord tausch’ ich von ihren vier.
Lebt wohl, ihr Herrn! Ich will an mein Geschäft,
Lustfeuer muß ich gleich in Frankreich machen,
Zu feiern unser groß Sankt Georgen-Fest.
Zehntausend nehm’ ich mit mir der Soldaten,
Europa zittre ihren blut’gen Taten.
Dritter Bote
.
Tut das, denn man belagert Orleans,
Das Heer der Englischen ward matt und schw
Der Graf von Salisbury begehrt Verstärkung
Und hält sein Volk von Meuterei kaum ab,
Das solche Überzahl bewachen muß.
Exeter
.
Lords, denkt der Eide, die ihr Heinrich schwurt:
Entweder ganz den Dauphin zu vernichten,
Oder ihn unter euer Joch zu beugen.
Bedford
.
Wohl denk’ ich ihrer, und hier nehm’ ich Abschied,
Um gleich an meine Zurüstung zu gehn.
Ab.
Gloster
.
Ich will zum Turm in möglichst großer Eil’,
Geschütz und Kriegszeug zu beschaun, und dann
Ruf’ ich den jungen Heinrich aus zum König.
Ab.
Exeter
.
Nach Eltham, wo der junge König ist,
Will ich, zur nächsten Aufsicht angestellt,
Und bestens seine Sicherheit beraten.
Ab.
Winchester
.
Ein jeder hat sein Amt und seinen Platz,
Mich ließ man aus, für mich ist nichts geblieben;
Doch lang’ will ich Hans außer Dienst nicht sein.
Den König send’ ich bald von Eltham weg
Und sitz’ am Steuer des gemeinen Wesens.
Ab.
Ein innerer Vorhang fällt.
¶
Zweite Szene
Frankreich. Vor Orleans.
Karl mit seinen Truppen, Alençon, Reignier und andre.
Karl
.
Mars’ wahrer Lauf ist, grade wie im Himmel,
Bis diesen Tag auf Erden nicht bekannt:
Jüngst schien er noch der englischen Partei,
Nun sind wir Sieger, und er lächelt uns.
Was fehlen uns für Städte von Gewicht?
Wir liegen hier zur Lust bei Orleans,
Die Englischen, verhungert, blaß wie Geister,
Belagern matt uns eine Stund’ im Monat.
Alençon
.
Sie missen ihre Brüh’n und fettes Rindfleisch;
Entweder muß man sie wie Maultier’ halten,
Ihr Futter ihnen binden an das Maul,
Sonst sehn sie kläglich wie ersoffne Mäuse.
Reignier
.
Entsetzt die Stadt: was sind wir müßig hier?
Talbot, den wir gefürchtet, ist gefangen;
Bleibt keiner als der tolle Salisbury,
Der wohl die Gall’ im Ärger mag verzehren:
Er hat zum Kriege weder Volk noch Geld.
Karl
.
Schlagt Lärm! Schlagt Lärm! Wir stürzen auf sie ein.
Nun für die Ehre der verlornen Franken!
Dem, der mich tötet, sei mein Tod verziehn,
Sieht er mich fußbreit weichen oder fliehn.
Alle ab. – Getümmel, Angriffe, hierauf ein Rückzug.
Karl, Alençon, Reignier und andre kommen zurück.
Karl
.
Sah man je so was? Was für Volk hab’ ich?
Die Hunde! Memmen! Ich wär’ nie geflohn,
Wenn sie mich nicht vom Feind umringt verließen.
Reignier
.
Salisbury mordet ganz verzweiflungsvoll,
Er ficht wie einer, der des Lebens müde.
Die andern Lords, wie Löwen voller Gier,
Bestürmen uns als ihres Hungers Raub.
Alençon
.
Froissard, ein Landesmann von uns, bezeugt,
England trug lauter Olivers und Rolands
Zur Zeit, als Eduard der Dritte herrschte.
Wahrhafter läßt sich dies behaupten jetzt:
Denn Simsons bloß und Goliasse sendet
Es aus zum Fechten. Einer gegen zehn!
Und Schufte nur von Haut und Bein! Wer traute
Wohl solchen Mut und Kühnheit ihnen zu?
Karl
.
Verlassen wir die Stadt: Tollköpfe sind’s,
Und Hunger treibt sie nur zu größerm Eifer.
Von Alters kenn’ ich sie: sie werden eher
Die Mauern mit den Zähnen niederreißen,
Als daß sie die Belag’rung gäben auf.
Reignier
.
Ein seltsam Räderwerk stellt ihr Gewehr,
Glaub’ ich, wie Glocken, immer anzuschlagen:
Sie hielten sonst nicht aus, so wie sie tun.
Nach meiner Meinung lassen wir sie gehn.
Alençon
.
So sei es.
Der Bastard von Orleans tritt auf.
Bastard
.
Wo ist Prinz Dauphin? Neues bring’ ich ihm.
Karl
.
Bastard von Orleans, dreimal willkommen!
Bastard
.
Mich dünkt, Eu’r Blick ist trüb, und bang die Miene:
Hat Euer letzter Unfall daran Schuld?
Verzaget nicht, denn Beistand ist zur Hand;
Ich bringe eine heil’ge Jungfrau her,
Die ein Gesicht, vom Himmel
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