Sämtliche Dramen
nicht so in ihr herauf beschwören kann, daß er in seiner wahren Gestalt erschiene.
Burgund
. Verzeiht die Freiheit meines Scherzes, wenn ich darauf diene. Wenn Ihr in ihr beschwören wollt, müßt Ihr einen Zirkel machen; wollt Ihr den Liebesgott in ihr in seiner wahren Gestalt herauf beschwören, so muß er nackt und blind erscheinen. Könnt Ihr sie also tadeln, da sie noch ein Mädchen mit den jungfräulichen Rosen der Bescheidenheit überpurpurt ist, wenn sie die Erscheinung eines nackten blinden Knaben in ihrem nackten sehenden Selbst nicht leiden will? Es ist für ein Mädchen in der Tat eine harte Bedingung einzugehn.
König Heinrich
. Doch drücken sie ein Auge zu und geben nach, so wie die Liebe blind ist und in sie dringt.
Burgund
. Dann sind sie entschuldigt, mein Fürst, wenn sie nicht sehen, was sie tun.
König Heinrich
. Lehrt also Eure Muhme, ein Auge zudrücken, bester Herr.
Burgund
. Ich will ein Auge zudrücken, um es ihr zu verstehen zu geben, wenn Ihr sie nur lehren wollt, meine Meinung zu verstehen. Denn Mädchen, wohl durchgesommert und warm gehalten, sind wie Fliegen um Bartholomäi: blind, ob sie schon ihre Augen haben, und dann lassen sie sich handhaben, da sie zuvor kaum das Ansehen ertrugen.
König Heinrich
. Dies Gleichnis vertröstet mich auf die Zeit und einen heißen Sommer; und so werde ich die Fliege, Eure Muhme, am Ende fangen, und sie muß obendrein blind sein.
Burgund
. Wie die Liebe ist, mein Fürst, ehe sie liebt.
König Heinrich
. Ja das ist sie, und einige unter Euch können der Liebe für meine Blindheit danken, daß ich so manche französische Stadt über ein schönes französisches Mädchen, das mir im Wege steht, nicht sehen kann.
König Karl
. Ja, mein Fürst, Ihr seht sie perspektivisch, die Städte in ein Mädchen verwandelt; denn sie sind alle mit jungfräulichen Mauern umgeben, in welche der Krieg nie hineindrang.
König Heinrich
. Soll Käthchen mein Weib sein?
König Karl
. So es Euch beliebt.
König Heinrich
. Ich bin es zufrieden; wenn nur die jungfräulichen Städte, wovon Ihr sprecht, ihr Gefolge ausmachen dürfen, so wird das Mädchen, das meinem Wunsch im Wege stand, mir den Weg zu meinem Willen weisen.
König Karl
. Wir geben zu, was irgend billig ist.
König Heinrich
. Ist’s so, ihr Lords von England?
Westmoreland
.
Der König hat uns jeden Punkt gewährt,
Erst seine Tochter und demnächst das andre,
Nach unsers Vorschlags festgesetzter Weise.
Exeter
. Nur dieses hat er noch nicht unterzeichnet:
Wo Eure Majestät begehrt, daß der König von Frankreich, wenn er Veranlassung hat, schriftlich um etwas anzusuchen, Eure Hoheit folgendermaßen und mit diesem Zusatz auf Französisch benennen soll: Notre très cher fils Henry, roi d’Angleterre, héritier de France; und so auf Lateinisch: Praeclarissimus filius noster Henricus, rex Angliae et heres Franciae.
König Karl
.
Auch dies hab’ ich nicht so geweigert, Bruder,
Daß ich mich Eurem Wunsch nicht fügen sollte.
König Heinrich
.
So bitt’ ich Euch, nach unserm Liebesbund,
Laßt den Artikel mit den andern gehn
Und somit gebt mir Eure Tochter.
König Karl
.
Nimm sie, mein Sohn: erweck’ aus ihrem Blut
Mir ein Geschlecht, auf daß die zwist’gen Staaten,
Frankreich und England, deren Küsten selbst
Vor Neid erblassen bei des andern Glück,
Den Haß beenden, und dieses teure Bündnis
In ihre holden Busen Nachbarschaft
Und christlich Einverständnis pflanzen mag;
Auf daß der Krieg nie führe blut’ge Streiche
Inmitten England und dem Fränk’schen Reiche!
Alle
.
Amen!
König Heinrich
.
Willkommen, Käthchen, nun! Und zeugt mir alle,
Daß ich sie küss’ als meine Königin!
Trompetenstoß.
Isabelle
.
Gott, aller Ehen bester Stifter, mache
Eins eure Herzen, eure Länder eins!
Wie Mann und Weib, die zwei, doch eins in Liebe,
So sei Vermählung zwischen euren Reichen,
Daß niemals üble Dienste, arge Eifersucht,
Die oft das Bett der heil’gen Ehe stört,
Sich dränge zwischen dieser Reiche Bund,
Um, was einander einverleibt, zu scheiden;
Daß Englische und Franken nur die Namen
Von Brüdern sei’n: Gott sage hiezu Amen!
Alle
.
Amen!
König Heinrich
.
Bereiten wir die Hochzeit; auf den Tag
Empfang’ ich, Herzog von Burgund, von Euch
Und allen Pairs den Eid zu des Vertrags Gewähr.
Dann schwör’ ich, Käthchen, dir, du mir dagegen;
Und, treu bewahrt, gedeih’ es uns zum Segen!
Alle ab.
Chorus
tritt auf.
So weit, mit rauhem, ungelenkem
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