Sämtliche Dramen
Richards Heil,
Und wie mein Dienst gedeiht, verderbe jeder,
Der wider Eure Majestät was denkt!
Alle
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Heil, hoher Prinz, der mächt’ge Herzog York!
Somerset
beiseit.
Stirb, schnöder Prinz, unedler Herzog York!
Gloster
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Nun dient es Euer Majestät am besten,
Daß Ihr die See hinübersetzt, zur Krönung
In Frankreich; eines Königs Gegenwart
Erzeuget Liebe bei den Untertanen
Und echten Freunden und entherzt die Feinde.
König Heinrich
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Wenn’s Gloster sagt, geht König Heinrich schon,
Denn Freundes Rat vernichtet Feindes Drohn.
Gloster
.
Es liegen Eure Schiffe schon bereit.
Alle ab außer Exeter.
Exeter
.
Ja, ziehn wir nur in England oder Frankreich,
Nicht sehend, was hieraus erfolgen muß:
Die jüngst erwachsne Zwietracht dieser Pairs
Brennt unter Aschen der verstellten Liebe
Und wird zuletzt in Flammen brechen aus.
Wie erst ein eiternd Glied allmählich fault,
Bis Bein und Fleisch und Sehnen fallen ab,
So wird die tück’sche Zwietracht um sich fressen,
Und nun fürcht’ ich die schlimme Weissagung,
Die in dem Munde jedes Säuglings war
In Heinrichs Tagen, zubenamt der Fünfte:
»Heinrich aus Monmouth bauet alles auf,
Heinrich aus Windsor büßet alles ein.«
Dies ist so klar, daß Exeter nur wünscht,
Sein Leben ende vor der Unglückszeit.
Ab.
¶
Zweite Szene
Frankreich. Vor Rouen.
Die Pucelle tritt verkleidet auf, mit Soldaten, wie Landleute gekleidet, mit Säcken auf den Rücken.
Pucelle
.
Dies ist das Stadttor, von Rouen das Tor,
Das unsre Schlauigkeit erbrechen muß.
Gebt Achtung, wie ihr eure Worte stellt,
Sprecht wie Marktleute von gemeinem Schlag,
Die Geld zu lösen kommen für ihr Korn.
Wenn man uns einläßt, wie ich sicher hoffe,
Und wir nur schwach die träge Wache finden,
So meld’ ich’s durch ein Zeichen unsern Freunden,
Daß Karl, der Dauphin, einen Angriff wage.
Erster Soldat
.
Der Plunder soll die Stadt uns plündern helfen,
Uns Herrn und Meister machen in Rouen.
Drum laßt uns klopfen.
Er klopft an.
Wache
drinnen.
Qui est là?
Pucelle
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Paysans, pauvres gens de France;
Marktleute, die ihr Korn verkaufen wollen.
Wache
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Geht nur hinein, die Markt-Glock’ hat geläutet.
Er öffnet das Tor.
Pucelle
.
Wohlauf, Rouen, nun stürz’ ich deine Feste.
Die Pucelle und ihre Leute gehen in die Stadt.
Karl. Bastard von Orleans, Alençon und Truppen.
Karl
.
Sankt Dionys, gesegne diese Kriegslist!
Wir schlafen nochmals sicher in Rouen.
Bastard
.
Hier ging Pucelle hinein mit ihren Helfern;
Doch, nun sie dort ist, wie bezeichnet sie
Den sichersten und besten Weg hinein?
Alençon
.
Vom Turm dort steckt sie eine Fackel auf,
Die, wahrgenommen, ihre Meinung zeigt,
Der Weg, wo sie hinein kam, sei der schwächste.
Die Pucelle erscheint auf einer Zinne und hält eine brennende Fackel empor.
Pucelle
.
Schaut auf, dies ist die frohe Hochzeitsfackel,
Die ihrem Landesvolk Rouen vermählt,
Doch tödlich brennend für die Talbotisten.
Bastard
.
Sieh, edler Karl! Die Fackel, das Signal
Von unsrer Freundin, steht auf jenem Turm.
Karl
.
Nun strahle sie wie ein Komet der Rache,
Wie ein Prophet von unsrer Feinde Fall!
Alençon
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Kein Zeitverlust! denn Zögern bringt Gefahr!
Hinein und schreit: der Dauphin! alsobald
Und räumet dann die Wachen aus dem Weg.
Sie dringen ein.
Getümmel. Talbot kommt mit einigen Englischen.
Talbot
.
Frankreich, mit Tränen sollst du mir dies büßen,
Wenn Talbot den Verrat nur überlebt.
Die Hexe, die verfluchte Zauberin,
Stellt unversehns dies Höllen-Unheil an,
Daß wir dem Stolze Frankreichs kaum entrinnen.
Sie gehen ab in die Stadt.
Getümmel, Ausfälle. Aus der Stadt kommen Bedford, der krank in einem Stuhle hereingetragen wird, mit Talbot, Burgund und, den englischen Truppen. Dann erscheinen auf den Mauern die Pucelle, Karl,
der Bastard, Alençon und andre.
Pucelle
.
Guten Morgen, Brave! Braucht ihr Korn zum Brot?
Der Herzog von Burgund wird fasten, denk’ ich,
Eh’ er zu solchem Preise wieder kauft.
Es war voll Trespe: liebt Ihr den Geschmack?
Burgund
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Ja, höhne, böser Feind! Schamlose Buhle!
Bald hoff’ ich dich im eignen zu ersticken,
Daß du die Ernte dieses Korns verfluchst.
Karl
.
Eu’r Hoheit könnte wohl zuvor verhungern.
Bedford
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Oh, nicht mit Worten, nehmt mit Taten Rache!
Pucelle
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Was wollt Ihr, alter Graubart? Mit dem Tod
Im Lehnstuhl auf ein Lanzenbrechen rennen?
Talbot
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Dämon von Frankreich, aller Greuel Hexe,
Von deinen üpp’gen Buhlern
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