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Dritte Szene
Die benachbarten Ebnen bei Rouen.
Karl, der Bastard, Alençon, die Pucelle treten auf mit Truppen.
Pucelle
.
Verzagt nicht, Prinzen, über diesen Zufall
Und grämt euch nicht, daß sie Rouen genommen;
Denn Sorge wehrt nicht, sie versehrt und zehrt
Um Dinge, die nicht abzustellen sind.
Der tolle Talbot siegprang’ eine Weil’
Und spreize wie ein Pfau sich mit dem Schweif:
Wir rupfen ihn und kürzen ihm die Schleppe,
Läßt Dauphin samt den andern nur sich raten.
Karl
.
Wir folgten deiner Leitung bis hieher
Und hegten Mißtraun nicht in deine Kunst;
Ein schneller Unfall soll nie Argwohn zeugen.
Bastard
.
Such’ deinen Witz durch nach geheimen Listen,
Und ruhmvoll machen wir dich aller Welt.
Alençon
.
Wir stell’n dein Bildnis an geweihte Plätze
Und beten dich wie eine Heil’ge an.
Bemüh’ dich, holde Jungfrau, denn für uns!
Pucelle
.
So sei es also, dies ist Jeannes Plan:
Durch Überredungen mit Honigworten
Verstricken wir den Herzog von Burgund,
Den Talbot zu verlassen, uns zu folgen.
Karl
.
Ei ja, mein Herz! Wenn wir das könnten, wäre
Frankreich kein Platz für Heinrichs Krieger mehr,
Noch sollte die Nation so mit uns prahlen,
Vielmehr vertilgt aus unsern Landen sein.
Alençon
.
Für immer wären sie verbannt aus Frankreich
Und führten keiner Grafschaft Titel hier.
Pucelle
.
Ihr sollt schon sehn, wie ich es machen will,
Die Sache zum gewünschten Schluß zu bringen.
Man hört Trommeln.
Horcht! An dem Trommelschlag ist abzunehmen,
Daß ihre Truppen sich Paris-wärts ziehn.
Ein englischer Marsch. In der Entfernung zieht Talhot mit seinen Truppen vorüber.
Da geht der Talbot, fliegend seine Fahnen,
Und alle Scharen Englischer nach ihm.
Ein französischer Marsch. Der Herzog von Burgund
mit seinen Truppen.
Nun kommt Burgund im Nachtrab und sein Volk,
Das Glück ließ günstig ihn dahinten weilen.
Man lad’ ihn ein: wir wollen mit ihm reden.
Eine Trompete bläst die Einladung zur Unterredung.
Karl
.
Auf ein Gespräch mit Herzog von Burgund!
Burgund
.
Wer fodert ein Gespräch mit dem Burgund?
Pucelle
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Dein Landsmann, Frankreichs königlicher Karl.
Burgund
.
Was sagst du, Karl? Denn ich muß weiterziehn.
Karl
.
Pucelle, sprich! Bezaubre ihn mit Worten!
Pucelle
.
Du Frankreichs Hoffnung, wackerer Burgund!
Laß deine Magd in Demut mit dir reden.
Burgund
.
So sprich, doch mach’s nicht übermäßig lang.
Pucelle
.
Blick’ auf dein fruchtbar Vaterland, dein Frankreich,
Und sieh die Städt’ und Wohnungen entstellt
Durch die Verheerung eines wilden Feinds.
So wie die Mutter auf ihr Kindlein blickt,
Wenn Tod die zart gebrochnen Augen schließt,
So sieh, sieh Frankreichs schmachtendes Erkranken;
Die Wunden schau, die Wunden, unnatürlich,
Die ihrer bangen Brust du selbst versetzt!
O kehr’ dein schneidend Schwert wo anders hin,
Triff, wer verletzt, verletz’ nicht den, der hilft!
Ein Tropfe Blut aus deines Landes Busen
Muß mehr dich reun als Ströme fremden Bluts;
Drum kehr’ zurück mit einer Flut von Tränen
Und wasche deines Landes Flecken weg.
Burgund
.
Entweder hat sie mich behext mit Worten,
Oder mit eins erweicht mich die Natur.
Pucelle
.
Auch schreien alle Franken über dich,
Geburt und echte Herkunft dir bezweifelnd.
An wen gerietst du als ein herrisch Volk,
Daß dir nicht traun mag, als Gewinnes halb?
Wenn Talbot einmal Fuß gefaßt in Frankreich
Und zu des Übels Werkzeug dich gemodelt,
Wer außer Englands Heinrich wird dann Herr,
Und du hinausgestoßen als ein Flüchtling?
Ruf dir zurück und merk’ nur dies zur Probe.
War nicht der Herzog Orleans dein Feind?
Und war er nicht in England Kriegsgefangner?
Allein, als sie gehört, er sei dein Feind,
So gaben sie ihn ohne Lösung frei,
Burgund zum Trotz und allen seinen Freunden.
So sieh dann! Wider deine Landsgenossen
Kämpfst du mit denen, die dich morden werden.
Komm, kehre heim! Kehr’ heim, verirrter Fürst!
Karl und die andern werden dich umarmen.
Burgund
.
Ich bin besiegt; dies’ ihre hohen Worte
Zermalmen mich wie brüllendes Geschütz,
Daß ich auf meinen Knie’n mich fast ergebe. –
Verzeiht mir, Vaterland und Landsgenossen!
Und, Herrn, empfangt die herzliche Umarmung.
All meine Macht und Scharen Volks sind euer;
Talbot, leb wohl! Ich trau’ dir länger nicht.
Pucelle
.
Wie ein Franzos: gewandt und umgewandt!
Karl
.
Heil, braver Herzog! Uns belebt dein Bund.
Bastard
.
Und zeuget neuen Mut
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