Sämtliche Dramen
Räume dar,
Wie auserwählt für Raub und Freveltat.
Dahin lockt einzeln euer schmuckes Reh,
Und fällt es mit Gewalt, wenn nicht mit Gutem;
So könnt ihr Hoffnung hegen, anders nie.
Der Kaiserin und ihrem höll’schen Witz,
Der Rach’ und Frevel stets gebrütet hat,
Laßt uns verkünden, was wir jetzt erdacht;
Und unsre Pfeile schärfe sie mit Rat,
Und dulde nicht, daß ihr euch hemmt und kreuzt,
Helf’ euch vielmehr zu eurer Wünsche Ziel.
Des Kaisers Burg ist gleich der Fama Haus,
Der Palast voller Zungen, Ohren, Augen:
Der Wald ist fühllos, schrecklich, taub und stumm;
Da sprecht und schlagt, ihr Wackern, beid’ im Glück,
Da büßt die Lust, beschirmt vom dunkeln Wald,
Und schwelget in Laviniens keuschem Schatz!
Chiron
.
Dein Anschlag, Bursch, schmeckt, traun, nach keiner Furcht.
Demetrius
.
Sit fas, aut nefas: bis ich fand den Strom,
Der stillt die Glut, den Zauber, der mich kühlt,
Per Styga, per manes vehor. –
Gehn ab.
¶
Zweite Szene
Wald bei Rom. Man sieht in einiger Entfernung eine Hütte.
Es treten auf Titus Andronicus, seine drei Söhne, mit Hunden und Jagdhörnern, und Marcus Andronicus.
Titus
.
Die Jagd ist auf, der Morgen hell und licht,
Die Fluren duftig und die Wälder grün:
Entkuppelt hier! Der Meute lauter Schall
Wecke den Kaiser und sein schönes Weib;
Den Prinzen ruft, beginnt den Jägergruß,
Daß von dem Klang erdröhne rings der Hof! –
Ihr Söhne, habt mir acht, wie’s unser Amt,
Den Kaiser treu zu hüten vor Gefahr:
Ich ward im Schlaf erschreckt durch bösen Traum,
Doch bringt mir neuen Trost der junge Tag.
Lautes Gebell der Meute, und Musik von Jagdhörnern. Darauf erscheinen Saturninus, Tamora, Bassianus, Lavinia, Chiron, Demetrius und Gefolge.
Titus
.
Viel guten Morgen deiner Majestät;
Euch Fürsten gleichen Gruß und gleiches Glück! –
Ich hatte Jägergruß euch zugesagt.
Saturninus
.
Und lustig war das Blasen, werte Herrn,
Nur fast zu früh für neuvermählte Frau’n.
Bassianus
.
Was sagt Lavinia?
Lavinia
.
Ich sage, nein:
Zwei volle Stunden wacht’ ich schon, und mehr.
Saturninus
.
Frisch auf dann; Roß und Wagen holt herbei,
Und hin zum Forst; Herrin, jetzt sollt Ihr sehn
Ein römisch Jagdfest!
Marcus
.
Hunde hab’ ich hier,
Die scheuchen Euch den wildsten Panther auf
und klimmen zu dem steilsten Vorgebirg’.
Titus
.
Ich Pferde, die, wohin das Wild sie führt,
Wie Schwalben leicht ihm folgen auf dem Plan.
Demetrius
.
Chiron, wir jagen nicht mit Roß und Hund,
Wir fahn ein schmuckes Reh im finstern Grund.
Alle ab.
¶
Dritte Szene
Einsamer Platz im Walde.
Aaron tritt auf.
Aaron
.
Wer Witz hat, dächte wohl, er fehle mir,
Weil ich dies Geld hier unterm Baum vergrub,
Von wo mir’s niemals wieder aufersteht.
So wisse denn, wer mich so albern wähnt,
Daß dieses Gold mir einen Anschlag münzt,
Der, listig ausgeführt, gebären soll
Ein recht ausbündig wackres Bubenstück:
So ruh’ hier Gold, und störe deren Ruhe,
Die Gaben nehmen aus der Kais’rin Truhe!
Tamora kommt.
Tamora
.
Mein süßer Aaron, was bekümmert dich,
Wenn alles rings von Fröhlichkeit erklingt?
Die Vögel singen hell aus jedem Busch,
Die Schlange sonnt sich, aufgerollt im Grün,
Das Laub erzittert in der kühlen Luft
Und malet Schattengitter auf den Grund:
In seinem süßen Dunkel laß uns ruhn!
Horch! Widerhalls Geplauder neckt die Hunde,
Dem vollen Horn antwortend hellen Ruf,
Als tönt’ ein Doppeljagen uns zugleich. –
Setz’ dich und horch’ dem fröhlichen Gebell!
Und nach verliebtem Kampf (des, wie man wähnt,
Der flücht’ge Held und Dido einst sich freuten,
Als sie ein glücklicher Orkan gescheucht
Und die verschwiegne Höhl’ als Vorhang schirmte), –
Laß uns, verschränkt eins in des andern Arm,
Nach unsrer Lust des goldnen Schlafs uns freun,
Weil Hund und Horn und süßer Waldgesang
Uns einlullt wie der Amme Wiegenlied,
Wenn sie ihr holdes Kind in Schlummer singt.
Aaron
.
Fürstin, wie Venus deinen Sinn beherrscht,
So ist Saturn des meinigen Monarch.
Was deutet sonst mein tödlich starres Aug’,
Mein Schweigen, meiner Stirn Melancholie,
Mein Vlies von krauser Wolle, jetzt entlockt,
Recht wie die Natter, wenn sie sich entrollt
Zu schlimmem Biß und gift’gem Überfall?
Nein, Fürstin, das sind Venuszeichen nicht:
Rachsucht erfüllt mein Herz, Tod meine Faust,
Blut und Verderben toben mir im Haupt. –
Hör’, Tamora, du Kais’rin meiner Seele,
Die nicht auf andern
Weitere Kostenlose Bücher