Sämtliche Dramen
Puls und hört zu schlagen auf.
Kein Odem, keine Wärme zeugt von Leben;
Der Lippen und der Wangen Rosen schwinden
Zu bleicher Asche; deiner Augen Vorhang
Fällt, wie wenn Tod des Lebens Tag verschließt.
Ein jedes Glied, gelenker Kraft beraubt,
Soll steif und starr und kalt wie Tod erscheinen.
Als solch ein Ebenbild des dürren Todes
Sollst du verharren zweiundvierzig Stunden,
Und dann erwachen wie von süßem Schlaf.
Wenn nun der Bräutigam am Morgen kommt
Und dich vom Lager ruft, da liegst du tot;
Dann (wie die Sitte unsres Landes ist)
Trägt man auf einer Bahr’ in Feierkleidern
Dich unbedeckt in die gewölbte Gruft,
Wo alle Capulets von Alters ruhn.
Zur selben Zeit, wenn du erwachen wirst,
Soll Romeo aus meinen Briefen wissen,
Was wir erdacht’ und sich hieher begeben.
Wir wollen beid’ auf dein Erwachen harren;
Und in derselben Nacht soll Romeo
Dich fort von hier nach Mantua geleiten.
Das rettet dich von dieser droh’nden Schmach,
Wenn schwacher Unbestand und weib’sche Furcht
Dir in der Ausführung den Mut nicht dämpft.
Julia
.
Gib mir, o gib mir! Rede nicht von Furcht!
Lorenzo
.
Nimm, geh mit Gott, halt’ fest an dem Entschluß!
Ich send’ indes mit Briefen einen Bruder
In Eil’ nach Mantua zu deinem Treuen.
Julia
.
Gib, Liebe, Kraft mir! Kraft wird Hülfe leihen.
Lebt wohl, mein teurer Vater!
Beide ab.
¶
Zweite Szene
Ein Zimmer in Capulets Hause.
Capulet, Gräfin Capulet, Wärterin, Bediente.
Capulet
.
So viele Gäste lad’, als hier geschrieben!
Ein Bedienter ab.
Du, Bursch, geh’, miet’ mir zwanzig tücht’ge Köche!
Bedienter
. Ihr sollt gewiß keine schlechten kriegen, gnäd’ger Herr; denn ich will erst zusehn, ob sie sich die Finger ablecken können.
Capulet
. Was soll das für eine Probe sein?
Bedienter
. Ei, gnädiger Herr, das wäre ein schlechter Koch, der seinen eignen Finger nicht ablecken könnte. Drum, wer das nicht kann, der geht nicht mit mir.
Capulet
.
Geh, mach fort! –
Bedienter ab.
Die Zeit ist kurz, es wird an manchem fehlen. –
Vie ist’s? Ging meine Tochter hin zum Pater?
Wärterin
.
Ja, wahrhaftig.
Capulet
.
Wohl! Gutes stiftet er vielleicht bei ihr:
Sie ist ein albern, eigensinnig Ding.
Julia tritt auf.
Wärterin
.
Seht, wie sie fröhlich aus der Beichte kömmt!
Capulet
.
Nun, Starrkopf? Sag, wo bist herumgeschwärmt?
Julia
.
Wo ich gelernt, die Sünde zu bereun
Hartnäck’gen Ungehorsams gegen Euch
Und Eu’r Gebot, und wo der heil’ge Mann
Mir auferlegt, vor Euch mich hinzuwerfen,
Vergebung zu erflehn. – Vergebt, ich bitt’ Euch;
Von nun an will ich stets Euch folgsam sein.
Capulet
.
Schickt nach dem Grafen, geht und sagt ihm dies:
Gleich morgen früh will ich dies Band geknüpft sehn.
Julia
.
Ich traf den jungen Grafen bei Lorenzo,
Und alle Huld und Lieb’ erwies ich ihm,
So das Gesetz der Zucht nicht übertritt.
Capulet
.
Nun wohl! das freut mich, das ist gut. – Steh auf!
So ist es recht. – Laßt mich den Grafen sehn!
Potztausend! Geht, sag’ ich, und holt ihn her! –
So wahr Gott lebt, der würd’ge fromme Pater,
Von unsrer ganzen Stadt verdient er Dank.
Julia
.
Kommt, Amme! Wollt Ihr mit mir auf mein Zimmer,
Mir helfen Putz erlesen, wie Ihr glaubt,
Daß mir geziemt, ihn morgen anzulegen?
Gräfin Capulet
.
Nein, nicht vor Donnerstag; es hat noch Zeit.
Capulet
.
Geh mit ihr, Amme! Morgen geht’s zur Kirche.
Julia und die Amme ab.
Gräfin Capulet
.
Die Zeit wird kurz zu unsrer Anstalt fallen:
Es ist fast Nacht.
Capulet
.
Blitz! ich will frisch mich rühren,
Und alles soll schon gehn, Frau, dafür steh’ ich.
Geh du zu Julien, hilf an ihrem Putz!
Ich gehe nicht zu Bett: laßt mich gewähren,
Ich will die Hausfrau diesmal machen. – Heda! –
Kein Mensch zur Hand? – Gut, ich will selber gehn
Zum Grafen Paris, um ihn anzutreiben
Auf morgen früh: mein Herz ist mächtig leicht,
Seit dies verkehrte Mädchen sich besonnen.
Capulet und die Gräfin ab.
¶
Dritte Szene
Juliens Kammer.
Julia und die Wärterin.
Julia
.
Ja, dieser Anzug ist der beste. – Doch
Ich bitt’ dich, liebe Amme, laß mich nun
Für diese Nacht allein; denn viel Gebete
Tun not mir, um den Himmel zu bewegen,
Daß er auf meinen Zustand gnädig lächle,
Der, wie du weißt, verderbt und sündlich ist.
Gräfin Capulet kommt.
Gräfin Capulet
.
Seid ihr geschäftig? Braucht ihr meine Hülfe?
Julia
.
Nein, gnäd’ge Mutter, wir erwählten schon
Zur Tracht für morgen
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