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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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seid mir ein verklärter Himmelsgast
    Und durch Enthaltsamkeit unkörperlich;
    Drum muß das Wort mit Euch wahrhaftig sein,
    Als nahte man sich einer Heiligen.
    Isabella
.
    Ihr lästert das Erhabne, mich verhöhnend.
    Lucio
.
    Das glaubt nicht! Kurz und wahr, so steht die Sache:
    Eu’r Bruder und sein Liebchen herzten sich;
    Und wie die Speise füllt; der blüh’nde Mai
    Den dürren Furchen nach der Saat verhilft
    Zu schwell’nder Fülle: also zeigt ihr Schoß
    Sein fleißiges Bemühn und emsig Tun.
    Isabella
.
    Ist jemand von ihm schwanger? Muhme Julia?
    Lucio
.
    So, ist sie Eure Muhme?
    Isabella
.
    Durch Wahl: wie Schülerinnen Namen tauschen
    In kindisch treuer Freundschaft.
    Lucio
.
    Diese ist’s.
    Isabella
.
    Oh, nehm’ er sie zur Frau!
    Lucio
.
    Das ist der Punkt: –
    Der Herzog hat höchst seltsam sich entfernt;
    Und manchen Edeln – (mich nebst andern) – foppt er
    Mit Hoffnung auf ein Amt; doch hören wir
    Von solchen, die den Nerv des Staates kennen,
    Was er uns vorgab, sei unendlich weit
    Von seiner wahren Absicht. Jetzt regiert
    Statt seiner, mit der unbeschränkt’sten Vollmacht,
    Lord Angelo, ein Mann, dem statt des Bluts
    Schneewasser in den Adern fließt; der nie
    Der Sinne muntre Trieb’ und Regung kannte;
    Der ihren Stachel hemmt und abgestumpft
    Mit geist’ger Arbeit, Fasten und Studieren.
    Dieser, in Furcht zu setzen Lust und Freiheit,
    Die lang’ das drohende Gesetz umschwärmt
    (Wie Mäus’ um Löwen), klaubt den Spruch hervor,
    Durch dessen schweren Inhalt Claudios Leben
    Verwirkt ist; setzt sogleich ihn in Verhaft
    Und folgt genau der Satzung totem Wort
    Zu strenger Warnung. Alles ist verloren,
    Wenn Euch nicht Gnade wird, durch holdes Flehn
    Ihn zu erweichen. Dies nun ist der Kern
    Des Auftrags, den mir Euer Bruder gab.
    Isabella
.
    So will er seinen Tod?
    Lucio
.
    Hat die Sentenz
    Schon unterschrieben, und der Schließer, hör’ ich,
    Erhielt Befehl, das Urteil zu vollziehn.
    Isabella
.
    Ach, welche arme Fähigkeit besitz’ ich,
    Ihm noch zu helfen?
    Lucio
.
    Eure Macht versucht!
    Isabella
.
    Weh mir! Ich zweifle –
    Lucio
.
    Zweifel sind Verräter,
    Die oft ein Gut entziehn, das wir erreichten, –
    Weil den Versuch wir scheuten. Geht zu Angelo
    Und lehrt ihn, daß, wenn Jungfrau’n flehn, die Männer
    Wie Götter geben; weinen sie und knien,
    Dann wird ihr Wunsch so frei ihr Eigentum,
    Als ob sie selber die Gewährung sprächen.
    Isabella
.
    Ich will versuchen, was ich kann.
    Lucio
.
    Nur schnell! –
    Isabella
.
    Ich geh’ sogleich,
    Nicht länger säum’ ich; der Äbtissin nur
    Meld’ ich’s vorher. Ich dank’ Euch, Herr, in Demut;
    Empfehlt mich meinem Bruder: noch vor Nacht
    Send’ ich ihm sichre Nachricht des Erfolgs. –
    Lucio
.
    Dann nehm’ ich Abschied.
    Isabella
.
    Gott befohlen, Herr! –
    Beide gehn.
    ¶

ZWEITER AUFZUG
Erste Szene
    Eine Halle in Angelos Hause.
    Es treten auf Angelo, Escalus, ein Richter, Schließer, Gerichtsdiener und Gefolge.
    Angelo
.
    Das Recht darf nicht zur Vogelscheuche werden,
    Als ständ’ es da, um Habichte zu schrecken,
    Und bliebe regungslos, bis sie zuletzt,
    Gewöhnt, drauf ausruhn, statt zu fliehn.
    Escalus
.
    Gut, laßt uns
    Dann lieber scharf sein und ein wenig schneiden,
    Als tödlich niederschlagen. Ach, der Jüngling,
    Für den ich bat, hat einen edeln Vater!
    Bedenkt, mein werter Herr (von dem ich weiß,
    Ihr seid sehr streng in Tugend),
    Ob in der Regung Eurer Leidenschaft,
    Wenn, Zeit mit Ort gestimmt und Ort mit Wunsch,
    Ob, wenn das heft’ge Treiben Eures Bluts
    Das Ziel erreichen mochte, das Euch lockte, –
    Ob, sag’ ich, Ihr nicht selbst wohl konntet irren
    In diesem Punkt, den Ihr an ihm verdammt,
    Und dem Gesetz verfallen? –
    Angelo
.
    Ein andres ist, versucht sein, Escalus,
    Ein andres, fallen. Leugnen will ich nicht,
    In dem Gerichte, das auf Tod erkennt,
    Sei unter zwölf Geschwornen oft ein Dieb,
    Wohl zwei noch schuld’ger als der Angeklagte.
    Wer offenbar dem Rechte ward,
    Den straft das Recht. Was kümmert’s das Gesetz,
    Ob Dieb den Dieb verurteilt? ’s ist natürlich,
    Daß wir den Demant auf vom Boden heben,
    Weil wir ihn sehn; doch was wir nicht gesehn,
    Wir treten drauf und denken nicht daran.
    Ihr dürft nicht deshalb mildern sein Vergehn,
    Weil ich auch fehlen konnte; sagt vielmehr,
    Wenn ich, sein Richter, solch Verbrechen übe,
    Sei mir der eigne Spruch Vorbild des Todes,
    Und nichts entschuld’ge mich. Freund, er muß sterben. –
    Escalus
.
    Wie’s Eurer Weisheit

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