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Sämtliche Werke

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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letzte. Schwester, aus Barmherzigkeit den letzten schnellen Todesstoß! Er verrät uns! –
    Beaumarchais (aufspringend) .
    Er verrät uns! (An die Stirn schlagend und auf die Brust.) Hier! Hier! Es ist alles so dumpf, so tot vor meiner Seele, als hätt’ ein Donnerschlag meine sinne gelähmt. Marie! Marie! Du bist verraten! – Und ich stehe hier! Wohin? – Was? – Ich sehe nichts, nichts! Keinen Weg, keine Rettung! (Wirft sich in den Sessel.)
    Guilbert kommt.
    Sophie .
    Guilbert! Rat! Hilfe! Wir sind verloren!
    Guilbert .
    Weib.
    Sophie .
    Lies! Lies! Der Gesandte meldet unserm Bruder: Clavigo habe ihn peinlich angeklagt, als sei er unter einem falschen Namen in sein Haus geschlichen, habe ihm im Bette die Pistole vorgehalten, habe ihn gezwungen, eine schimpfliche Erklärung zu unterschreiben, und wenn er sich nicht schnell aus dem Königreiche entfernt, so schleppen sie ihn ins Gefängnis, daraus ihn zu befreien der Gesandte vielleicht selbst nicht imstande ist.
    Beaumarchais (aufspringend) .
    Ja, sie sollen’s! Sie sollen’s! Sollen mich ins Gefängnis schleppen. Aber von seinem Leichname weg, von der Stätte weg, wo ich mich in seinem Blute werde geletzt haben. – Ach! Der grimmige, entsetzliche Durst nach seinem Blute füllt mich ganz. Dank sei dir, Gott im Himmel, dass du dem Menschen mitten im glühenden unerträglichsten Leiden ein Labsal sendest, eine Erquickung. Wie ich die dürstende Rache in meinem Busen fühle! Wie aus der Vernichtung meiner selbst, aus der stumpfen Unentschlossenheit mich das herrliche Gefühl, die Begier nach seinem Blute herausreißt, mich über mich selbst reißt! Rache! Wie mir’s wohl ist! Wie alles an mir nach ihm hinstrebt, ihn zu fassen, ihn zu vernichten!
    Sophie .
    Du bist fürchterlich, Bruder.
    Beaumarchais .
    Desto besser. – Ach! Keinen Degen, kein Gewehr! Mit diesen Händen will ich ihn erwürgen, dass mein die Wonne sei! Ganz mein eigen das Gefühl: Ich hab’ ihn vernichtet.
    Marie .
    Mein Herz! Mein Herz!
    Beaumarchais .
    Ich habe dich nicht retten können, so sollst du gerächet werden. Ich schnaube nach seiner Spur, meine Zähne gelüstet’s nach seinem Fleisch, meinen Gaumen nach seinem Blut. Bin ich ein rasendes Tier geworden! Mir glüht in jeder Ader, mir zuckt in jeder Nerve die Begier nach ihm! – Ich würde den ewig hassen, der mir ihn jetzt mit Gift vergäbe, der mir ihn meuchelmörderisch aus dem Wege räumte. O hilf mir, Guilbert, ihn aufsuchen! Wo ist Buenco? Helft mir ihn finden!
    Guilbert .
    Rette dich! Rette dich! Du bist außer dir.
    Marie .
    Fliehe, mein Bruder!
    Sophie .
    Führ’ ihn weg, er bringt seine Schwester um.
    Buenco kommt.
    Buenco .
    Auf, Herr! Fort! Ich sah’s voraus. Ich gab auf alles Acht. Und nun! Man stellt Euch nach, Ihr seid verloren, wenn Ihr nicht im Augenblick die Stadt verlasst.
    Beaumarchais .
    Nimmermehr! Wo ist Clavigo?
    Buenco .
    Ich weiß nicht.
    Beaumarchais .
    Du weißt’s. Ich bitte dich fußfällig, sag’s mir.
    Sophie .
    Um Gottes willen, Buenco!
    Marie .
    Ach! Luft! Luft! (Fällt zurück.) Clavigo! –
    Buenco .
    Hilfe, sie stirbt!
    Sophie .
    Verlass uns nicht, Gott im Himmel! – Fort, mein Bruder, fort!
    Beaumarchais (fällt vor Marien nieder, die ungeachtet aller Hilfe nicht wieder zu sich selbst kommt) .
    Dich verlassen! Dich verlassen!
    Sophie .
    So bleib und verderb uns alle, wie du Marie getötet hast. Du bist hin, o meine Schwester! Durch die Unbesonnenheit deines Bruders.
    Beaumarchais .
    Halt, Schwester!
    Sophie (spottend) .
    Retter! – Rächer! – Hilf dir selber!
    Beaumarchais .
    Verdien’ ich das?
    Sophie .
    Gib mir sie wieder! Und dann geh in Kerker, geh aufs Martergerüst, geh, vergieße dein Blut und gib mir sie wieder.
    Beaumarchais .
    Sophie!
    Sophie .
    Ha! Und ist sie hin, ist sie tot – so erhalte dich uns! (Ihm um den Hals fallend.) Mein Bruder, erhalte dich uns! Unserm Vater! Eile, eile! Das war ihr Schicksal! Sie hat’s geendet. Und ein Gott ist im Himmel, dem lass die Rache.
    Buenco .
    Fort! Fort! Kommen Sie mit mir, ich verberge Sie, bis wir Mittel finden, Sie aus dem Königreich zu schaffen.
    Beaumarchais (fällt auf Marien und küsst sie) .
    Schwester! (Sie reißen ihn los, er fasst Sophie, sie macht sich los, man bringt Marie weg, und Buenco mit Beaumarchais ab.)
    Sophie (aus dem Zimmer zurückkommend, darein man Marie gebracht hat) .
    Zu spät! Sie ist hin! Sie ist tot!
    Guilbert .
    Kommen Sie, mein Herr! Sehen Sie selbst! Es ist nicht möglich! (Ab.)
     
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Fünfter

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