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Sämtliche Werke

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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Akt
    (Straße vor dem Haus Guilberts. Nacht.)
    Das Haus ist offen. Vor der Türe stehen drei in schwarze Mäntel gehüllte Männer mit Fackeln. Clavigo in einen Mantel gewickelt, den Degen unterm Arm, kommt. Ein Bedienter geht voraus mit einer Fackel.
    Clavigo .
    Ich sagte dir’s, du solltest diese Straße meiden.
    Bedienter .
    Wir hätten einen gar großen Umweg nehmen müssen, und Sie eilen so. Es ist nicht weit von hier, wo Don Carlos sich aufhält.
    Clavigo .
    Fackeln dort?
    Bedienter .
    Eine Leiche. Kommen Sie, mein Herr.
    Clavigo .
    Maries Wohnung! Eine Leiche! Mir fährt ein Todesschauer durch alle Glieder. Geh, frag’, wen sie begraben!
    Bedienter (geht zu den Männern) .
    Wen begrabt ihr?
    Die Männer .
    Marie Beaumarchais.
    Clavigo (setzt sich auf einen Stein und verhüllt sich) .
    Bedienter (kommt zurück) .
    Sie begraben Marie Beaumarchais.
    Clavigo (aufspringend) . Musstest du’s wiederholen, Verräter! Das Donnerwort wiederholen, das mir alles Mark aus meine Gebeinen schlägt!
    Bedienter .
    Stille, mein Herr, kommen Sie. Bedenken Sie die Gefahr, in der Sie schweben.
    Clavigo .
    Geh in die Hölle! Ich bleibe.
    Bedienter .
    O Carlos! O dass ich dich fände, Carlos! Er ist außer sich! (Ab.)
    Clavigo. In der Ferne die Leichenmänner.
    Clavigo .
    Tot! Marie tot! Die Fackeln dort! Ihre traurigen Begleiter! – Es ist ein Zauberspiel, ein Nachtgesicht, das mich erschreckt, das mir einen Spiegel vorhält, darin ich das Ende meiner Verrätereien ahnungsweise erkennen soll. – Noch ist es Zeit! Noch! – Ich bebe, mein Herz zerfließt in Schauer! Nein! Nein! Du sollst nicht sterben. Ich komme! Ich komme! – Verschwindet, Geister der Nacht, die ihr euch mit ängstlichen Schrecknissen mir in den Weg stellt – (Geht auf sie los.) Verschwindet! – Sie stehen! Ha! Sie sehen sich nach mir um! Weh! Weh mir! Es sind Menschen wie ich. – Es ist wahr – Wahr? – Kannst du’s fassen? – Sie ist tot – Es ergreift mich mit allem Schauer der Nacht das Gefühl: Sie ist tot! Da liegt sie, die Blume, zu deinen Füßen – und du – Erbarm’ dich meiner, Gott im Himmel, ich habe sie nicht getötet! – Verbergt euch, Sterne, schaut nicht hernieder, ihr, die ihr so oft den Missetäter saht in dem Gefühl des innigsten Glückes diese Schwelle verlassen, durch ebendiese Straße mit Saitenspiel und Gesang in goldnen Phantasien hinschweben und sein am heimlichen Gitter lauschendes Mädchen mit wonnevollen Erwartungen entzünden! – Und du füllst nun das Haus mit Wehklagen und Jammer! Und diesen Schauplatz deines Glückes mit Grabgesang! – Marie! Marie! Nimm mich mit dir! Nimm mich mit dir! (Eine traurige Musik tönt einige Laute von innen.) Sie beginnen den Weg zum Grabe! – Haltet, haltet! Schließt den Sarg nicht! Lasst mich sie noch einmal sehen! (Er geht aufs Haus los.) Ha! Wem, wem wag’ ich’s, unters Gesicht zu treten? Wem in seinen entsetzlichen Schmerzen zu begegnen? – Ihren Freunden? Ihrem Bruder? Dem wütender Jammer den Busen füllt! (Die Musik geht wieder an.) Sie ruft mir! Sie ruft mir! Ich komme! – Welche Angst umgibt mich! Welches Beben hält mich zurück!
    (Die Musik fängt zum dritten Male an und fährt fort. Die Fackeln bewegen sich vor der Tür, es treten noch drei andere zu ihnen, die sich in Ordnung reihen, um den Leichenzug einzufassen, der aus dem Hause kommt. Sechs tragen die Bahre, darauf der bedeckte Sarg steht.)
    Guilbert , Buenco , in tiefer Trauer.
    Clavigo (hervortretend) .
    Haltet!
    Guilbert .
    Welche Stimme!
    Clavigo .
    Haltet! (Die Träger stehen.)
    Buenco .
    Wer untersteht sich, den ehrwürdigen Zug zu stören?
    Clavigo .
    Setzt nieder!
    Guilbert .
    Ha!
    Buenco .
    Elender! Ist deiner Schandtaten kein Ende? Ist dein Opfer im Sarge nicht sicher vor dir?
    Clavigo .
    Lasst! Macht mich nicht rasend! Die Unglücklichen sind gefährlich! Ich muss sie sehen! (Er wirft das Tuch ab. Marie liegt weiß gekleidet und mit gefalteten Händen im Sarge. Clavigo tritt zurück und verbirgt sein Gesicht.)
    Buenco .
    Willst du sie erwecken, um sie wieder zu töten?
    Clavigo .
    Armer Spötter! – Marie! (Er fällt vor dem Sarge nieder.)
    Beaumarchais kommt.
    Beaumarchais .
    Buenco hat mich verlassen. Sie ist nicht tot, sagen sie, ich muss sehen, trotz dem Teufel! Ich muss sie sehen. Fackeln! Leiche! (Er rennt auf sie los, erblickt den Sarg und fällt sprachlos drüber hin; man hebt ihn auf, er ist wie ohnmächtig. Guilbert hält ihn.)
    Clavigo (der an der andern Seite des Sargs aufsteht)

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