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Sämtliche Werke

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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nagst mit solchen Grillen an dir selber.
    Marie .
    Warum soll ich mich betrügen?
    Sophie .
    Du bist jung und glücklich und kannst alles hoffen.
    Marie .
    Hoffnung! O, der süße einzige Balsam des Lebens bezaubert oft meine Seele. Mutige jugendliche Träume schweben vor mir und begleiten die geliebte Gestalt des Unvergleichlichen, der nun wieder der Meine wird. O Sophie, wie reizend ist er! Seit ich ihn nicht sah, hat er – ich weiß nicht, wie ich’s ausdrücken soll – es haben sich alle großen Eigenschaften, die ehemals in seiner Bescheidenheit verborgen lagen, entwickelt. Er ist ein Mann worden und muss mit diesem reinen Gefühle seiner selbst, mit dem er auftritt, das so ganz ohne Stolz, ohne Eitelkeit ist, er muss alle Herzen wegreißen. – Und er soll der Meinige werden? – Nein, Schwester, ich war seiner nicht wert – Und jetzt bin ich’s viel weniger!
    Sophie .
    Nimm ihn nur und sei glücklich. – Ich höre deinen Bruder!
    Beaumarchais kommt.
    Beaumarchais .
    Wo ist Guilbert?
    Sophie .
    Er ist schon eine Weile weg; lang kann er nicht mehr ausbleiben.
    Marie .
    Was hast du, Bruder? – (Aufspringend und ihm um den Hals fallend.) Lieber Bruder, was hast du?
    Beaumarchais .
    Nichts! Lass mich, meine Marie!
    Marie .
    Wenn ich deine Marie bin, so sag’ mir, was du auf dem Herzen hast.
    Sophie .
    Lass ihn. Die Männer machen oft Gesichter, ohne just was auf dem Herzen zu haben.
    Marie .
    Nein, nein. Ach, ich sehe dein Angesicht nur wenige Zeit; aber schon drückt es mir alle deine Empfindungen aus, ich lese jedes Gefühl dieser unverstellten unverdorbenen Seele auf deiner Stirne. Du hast etwas, das dich stutzig macht. Rede, was ist’s.
    Beaumarchais .
    Es ist nichts, meine Lieben. Ich hoffe, im Grunde ist’s nichts. Clavigo –
    Marie .
    Wie?
    Beaumarchais .
    Ich war bei Clavigo. Er ist nicht zu Hause.
    Sophie .
    Und das verwirrt dich?
    Beaumarchais .
    Sein Pförtner sagt, er sei verreist, er wisse nicht, wohin; es wisse niemand, wie lange. Wenn er sich verleugnen ließe! Wenn er wirklich verreist wäre! Wozu das? Warum das?
    Marie .
    Wir wollen’s abwarten.
    Beaumarchais .
    Deine Zunge lügt. Ha! Die Blässe deiner Wangen, das Zittern deiner Glieder, alles spricht und zeugt, dass du das nicht abwarten kannst. Liebe Schwester! (Fasst sie in seine Arme.) An diesem klopfenden, ängstlich bebenden Herzen schwör’ ich dir. Höre mich, Gott, der du gerecht bist! Höret mich, alle seine Heiligen! Du sollst gerächt werden, wenn er – die Sinne vergehen mir über dem Gedanken, – wenn er rückfiele, wenn er doppeltes grässliches Meineids sich schuldig machte, unsers Elends spottete – Nein, es ist, es ist nicht möglich, nicht möglich – Du sollst gerächt werden.
    Sophie .
    Alles zu früh, zu voreilig. Schone ihrer, ich bitte dich, mein Bruder.
    Marie (setzt sich) .
    Sophie .
    Was hast du? Du wirst ohnmächtig.
    Marie .
    Nein, nein. Du bist gleich so besorgt.
    Sophie (reicht ihr Wasser) .
    Nimm das Glas.
    Marie .
    Lass doch! Wozu soll’s! – Nun meinetwegen, gib her.
    Beaumarchais .
    Wo ist Guilbert? Wo ist Buenco? Schick’ nach ihnen, ich bitte dich. (Sophie ab.) Wie ist dir, Marie?
    Marie .
    Gut, ganz gut! Denkst du denn, Bruder -?
    Beaumarchais .
    Was, meine Liebe?
    Marie .
    Ach!
    Beaumarchais .
    Der Atem wird dir schwer?
    Marie .
    Das unbändige Schlagen meines Herzens versetzt mir die Luft.
    Beaumarchais .
    Habt ihr denn kein Mittel? Brauchst du nichts Niederschlagendes?
    Marie .
    Ich weiß ein Mittel, und darum bitt’ ich Gott schon lange.
    Beaumarchais .
    Du sollst’s haben, und ich hoffe, von meiner Hand.
    Marie .
    Schon gut.
    Sophie kommt.
    Sophie .
    Soeben gibt ein Kurier diesen Brief ab, er kommt von Aranjuez.
    Beaumarchais .
    Das ist das Siegel und die Hand unsers Gesandten.
    Sophie .
    Ich hieß ihn absteigen und einige Erfrischungen zu sich nehmen; er wollte nicht, weil er noch mehr Depeschen habe.
    Marie .
    Willst du doch, Liebe, das Mädchen nach dem Arzte schicken?
    Sophie .
    Fehlt dir was? Heiliger Gott! Was fehlt dir?
    Marie .
    Du wirst mich ängstigen, dass ich zuletzt kaum traue, ein Glas Wasser zu begehren – Sophie! – Bruder! – Was enthält der Brief? Sieh, wie er zittert! Wie ihn aller Mut verlässt!
    Sophie .
    Bruder, mein Bruder!
    Beaumarchais (wirft sich sprachlos in einen Sessel und lässt den Brief fallen) .
    Sophie .
    Mein Bruder! (Hebt den Brief auf und liest.)
    Marie .
    Lass mich ihn sehen! Ich muss – (Will aufstehen.) Weh! Ich fühl’s. Es ist das

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