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Sämtliche Werke

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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viel von Ihrer anschauenden aneignen wird, zweifle ich, und das liegt schon in der Sache. Denn Sie nehmen sich von seinen Ideen nur das, was Ihren Anschauungen zusagt, und das übrige beunruhigt Sie nicht, da Ihnen am Ende doch das Objekt als eine festere Autorität dasteht, als die Speculation, so lange diese mit jenem nicht zusammen trifft. Den Philosophen aber muß jede Anschauung, die er nicht unterbringen kann, sehr incommodiren, weil er an seine Ideen eine absolute Forderung macht.
    Was Sie von Paulus schreiben, wundert mich einigermaßen, da ich ihm nie die Einbildungskraft zugetraut habe, in die Totalität eines Zustandes, den man nothwendig erst produktiv anschauen muß, sich zu versetzen. Aber freilich bringt selbst die Gelehrsamkeit und das Vielwissen nach und nach, atomistisch, die Bedingungen zusammen, aus welchen sich durch einen mäßigen Effort der Phantasie ein bestimmtes Concretum , zusammen baut. So ist mir, in einer ganz andern Sphäre, in dem Schauspiel Fust von Stromberg , dessen Verfasser ein sehr mittelmäßiger Dichter war, eine ganze und sprechende Vorstellung des Mittelalters entgegen gekommen, welche offenbar nur der Effekt einer bloßen Gelehrsamkeit war.
    Die Gita Govinda hat mich neulich auch wieder zur Sacontala zurückgeführt, ja ich habe sie auch in der Idee gelesen, ob sich nicht ein Gebrauch fürs Theater davon machen ließe; aber es scheint, daß ihr das Theater direct entgegensteht, daß es gleichsam der einzige von allen zweiunddreißig Winden ist, mit dem dieses Schiff, bei uns, nicht segeln kann. Dieß liegt wahrscheinlich in der Haupteigenschaft derselben, welche die Zartheit ist, und zugleich in einem Mangel der Bewegung , weil sich der Dichter gefallen hat, die Empfindungen mit einer gewissen bequemen Behaglichkeit auszuspinnen, weil selbst das Klima zur Ruhe einladet.
    Sie werden von der neuen Schauspielerin viel Gutes gehört haben, denn sie hat bald die Gunst für sich erlangt; auch ist sie so recht aus dem Schooß der Sentimentalität heraufgestiegen. Ihre Stimme ist angenehm, obgleich noch ohne Kraft; sie hat den Ton des Gefühls und spricht mit Sinn und Bedeutsamkeit, wobei man ihr die Schule der Unzelmann, nicht zu ihrem Nachtheil, anmerkte . Nun höre ich aber, daß sie zu ihrem zweiten Debüt das Lottchen im Hausvater gewählt habe; dabei können wir sie schwerlich von einer neuen Seite kennen lernen. Es wäre besser, sie in einer scherzhaften oder lustig naiven Rolle zu sehen, um zu wissen, was von ihr zu hoffen ist. Auch würde ich Sie sehr bitten, sie ein ganzes Jahr auf kleinere Rollen und besonders in der Komödie einzuschränken und so stufenweise zu größern Rollen zu führen, die das Unglück aller Schauspieler sind.
    Leben Sie recht wohl. Ich hoffe bald wieder von Ihnen zu hören. Mein Schwager empfiehlt sich Ihnen aufs beste.
    Sch.
     
 * 
843. An Schiller.
    (Jena, 20. Februar 1802.)
    Ich kann Ihrem wiederholten Antrag nicht ausweichen und habe in beiliegendem, auf Montag Abends nach der Komödie, das gewöhnliche Abendessen in meinem Hause bestellt. Ich bin überzeugt meine Hausgeister werden es möglich machen und so wird am schicklichsten dem allgemeinen Convent ausgewichen.
    In Absicht auf Gäste dächte ich, verstiege man sich eben deßhalb nicht weit. Ich dächte
    der Erbprinz
von Hinzenstern
von Pappenheim
die Prinzeß und
Fräulein v. Knebel.
    Wollte man Riedeln dazu nehmen, so würde es theils wegen der alten Verhältnisse schicklich sein, theils weil er heute in Gesellschaft jener beiden Männer hier gewesen.
    Leben Sie recht wohl; ich freue mich Sie so unverhofft wieder zu sehen. Ich setze voraus daß Sie die Güte haben die Gesellschaft davon zu avertiren, so wie die einigen Gäste gefällig einzuladen.
    G.
     
 * 
844. An Schiller.
    Es ist gegenwärtig hier gerade eine lustige und gesellige Epoche und ich bin meist Mittag oder Abends auswärts. Dagegen kann ich noch keine productiven Momente rühmen, die sich überhaupt immer seltener machen.
    Ich bin über des Soulavie mémories historiques et politiques du règne de Louis XVI gerathen, ein Werk das einen nicht los läßt und das durch seine Vielseitigkeit einnimmt, wenn gleich der Verfasser mitunter verdächtig erscheint. Im Ganzen ist es der ungeheure Anblick von Bächen und Strömen, die sich, nach Naturnothwendigkeit, von vielen Höhen und aus vielen Thälern, gegen einander stürzen und endlich das Uebersteigen eines großen Flusses und eine Ueberschwemmung veranlassen, in der

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