Sämtliche Werke
Buenco.
Sophie .
Kommen Sie, Buenco! Guilbert, kommen Sie! Helft mir, dieser Kleinen Mut einsprechen, Entschlossenheit, jetzt, da es gilt.
Buenco .
Ich wollte, dass ich sagen dürfte: Nehmt ihn nicht wieder an.
Sophie :
Buenco!
Buenco .
Mein Herz wirft sich mir im Leib herum bei dem Gedanken: Er soll diesen Engel noch besitzen, den er so schändlich beleidigt, den er an das Grab geschleppt hat. Und besitzen? – Warum? – Wodurch macht er das alles wieder gut, was er verbrochen hat? – Dass er wiederkehrt, dass ihm auf einmal beleibt, wiederzukehren und zu sagen: „Jetzt mag ich sie, jetzt will ich sie.“ Just, als wäre diese treffliche Seele eine verdächtige Ware, die man am Ende dem Käufer doch noch nachwirft, wenn er auch schon durch die niedrigsten Gebote und jüdisches Ab- und Zulaufen bis aufs Mark gequält hat. Nein, meine Stimme kriegt er nicht, und wenn Mariens Herz selbst für ihn spräche. – Wiederzukommen, und warum denn jetzt? – Jetzt? – Musste er warten, bis ein tapferer Bruder käme, dessen Rache er fürchten muss, um wie ein Schulknabe zu kommen und Abbitte zu tun? – Ha! Er ist so feig, als er nichtswürdig ist!
Guilbert .
Ihr redet wie ein Spanier, und als wenn Ihr die Spanier nicht kenntet. Wir schweben diesen Augenblick in einer größern Gefahr, als ihr alle nicht seht.
Marie .
Bester Guilbert!
Guilbert .
Ich ehre die unternehmende Seele unsers Bruders, ich habe im stillen seinem Heldengange zugesehen und wünsche, dass alles gut ausschlagen möge, wünsche, dass Marie sich entschließen könnte, Clavigo ihre Hand zu geben; denn – (lächelnd) ihr Herz hat er doch. –
Marie .
Ihr seid grausam.
Sophie .
Hör’ ihn, ich bitte dich, hör’ ihn!
Guilbert .
Dein Bruder hat ihm eine Erklärung abgedrungen, die dich vor den Augen aller Welt rechtfertigen soll, und die wird uns verderben.
Buenco .
Wie?
Marie .
O Gott!
Guilbert .
Er stellte sie aus in der Hoffnung, dich zu bewegen. Bewegt er dich nicht, so muss er alles anwenden, um das Papier zu vernichten; er kann’s, er wird’s. Dein Bruder will es gleich nach seiner Rückkehr von Aranjuez drucken und ausstreuen. Ich fürchte, wenn du beharrest, er wird nicht zurückkehren.
Sophie .
Lieber Guilbert!
Marie .
Ich vergehe!
Guilbert .
Clavigo kann das Papier nicht auskommen lassen. Verwirfst du seinen Antrag, und er ist ein Mann von Ehre, so geht er deinem Bruder entgegen, und einer von beiden bleibt; dein Bruder sterbe oder siege, er ist verloren. Ein Fremder in Spanien! Mörder dieses geliebten Höflings! – Schwester, es ist ganz gut, dass man edle denkt und fühlt; nur, sich und die Seinigen zugrunde zu richten –
Marie .
Rate mir, Sophie, hilf mir!
Guilbert .
Und, Buenco, widerlegen Sie mich.
Buenco .
Er wagt’s nicht, er fürchtet für sein Leben; sonst hätt’ er gar nicht geschrieben, sonst böt’ er Marien seine Hand nicht an.
Guilbert .
Desto schlimmer; so findet er hundert, die ihm ihren Arm leihen, hundert, die unserm Bruder tückisch auf dem Wege das Leben rauben. Ha! Buenco, bist du so jung? Ein Hofmann sollte keinen Meuchelmörder im Solde haben?
Buenco .
Der König ist groß und gut.
Guilbert .
Auf dann! Durch all die Mauern, die ihn umschließen, die Wachen, das Zeremoniell und alle das, womit die Hofschranzen ihn von seinem Volke geschieden haben, dringen Sie durch und retten Sie uns! – Wer kommt?
Clavigo kommt.
Clavigo .
Ich muss! Ich muss!
Marie (tut ein Schrei und fällt Sophien in die Arme) .
Sophie .
Grausamer! In welchen Zustand versetzen Sie uns! (Guilbert und Buenco treten zu ihr.)
Clavigo .
Ja, sie ist’s! Sie ist’s! Und ich bin Clavigo. – Hören Sie mich, Beste, wenn Sie mich nicht ansehen wollen. Zu der Zeit, da mich Guilbert mit Freundlichkeit in sein Haus aufnahm, da ich ein armer, unbedeutender Junge war, da ich in meinem Herzen eine unüberwindliche Leidenschaft für Sie fühlte, war’s da Verdienst an mir? Oder war’s nicht vielmehr innere Übereinstimmung der Charaktere, geheime Zuneigung des Herzens, dass auch Sie für mich nicht unempfindlich blieben, dass ich nach einer Zeit mir schmeicheln konnte, dies Herz ganz zu besitzen? Und nun – bin ich nicht ebenderselbe? Warum sollt’ ich nicht hoffen dürfen? Warum nicht bitten? Wollten Sie einen Freund, einen Geliebten, den Sie nach einer gefährlichen unglücklichen Seereise lange für verloren geachtet, nicht wieder an Ihren Busen nehmen, wenn er unvermutet wiederkäme und sein
Weitere Kostenlose Bücher