Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sämtliche Werke

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
Vom Netzwerk:
Freundschaft solch eines Bruders! – Marie! Marie! O dass du vergeben könntest! Dass ich zu deinen Füßen das alles abweinen dürfte! – Und warum nicht? – Mein Herz geht mir über; meine Seele geht mir auf in Hoffnung! – Mein Herr!
    Beaumarchais .
    Was beschließen Sie?
    Clavigo .
    Hören Sie mich! Mein Betragen gegen Ihre Schwester ist nicht zu entschuldigen. Die Eitelkeit hat mich verführt. Ich fürchtete, meine Pläne, meine Aussichten auf ein ruhmvolles Leben durch diese Heirat zugrunde zu richten. Hätte ich wissen können, dass sie so einen Bruder habe, sie würde in meinen Augen keine unbedeutende Fremde gewesen sein; ich würde die ansehnlichsten Vorteile von dieser Verbindung gehofft haben. Sie erfüllen mich, mein Herr, mit der größesten Hochachtung für Sie; und indem Sie mir auf diese Weise mein Unrecht lebhaft empfinden machen, flößen Sie mir eine Begierde ein, eine Kraft, alles wieder gut zu machen. Ich werfe mich zu Ihren Füßen! Helfen Sie! Helfen Sie, wenn’s möglich ist, meine Schuld austilgen und das Unglück endigen. Geben Sie mir Ihre Schwester wieder, mein Herr, geben Sie mich ihr! Wie glücklich wär’ ich, von Ihrer Hand eine Gattin und die Vergebung aller meiner Fehler zu erhalten!
    Beaumarchais .
    Es ist zu spät! Meine Schwester liebt Sie nicht mehr, und ich verabscheue Sie. Schreiben Sie die verlangte Erklärung; das ist alles, was ich von Ihnen fordere. Und überlassen Sie mir die Sorgfalt einer ausgesuchten Rache.
    Clavigo .
    Ihre Hartnäckigkeit ist weder gerecht noch klug. Ich gebe Ihnen zu, dass es hier nicht auf mich ankommt, ob ich eine so sehr verschlimmerte Sache wieder gut machen will. Ob ich sie gut machen kann, das hängt von dem Herzen Ihrer vortrefflichen Schwester ab, ob sie einen Elenden wieder ansehen mag, der nicht verdient, das Tageslicht zu sehen. Allein Ihre Pflicht ist’s, mein Herr, das zu prüfen und darnach sich zu betragen, wenn Ihr Schritt nicht einer jugendlichen unbesonnenen Hitze ähnlich sehen soll. Wenn Donna Maria unbeweglich ist – o ich kenne das Herz! O ihre Güte, ihre himmlischen Seele schwebt mir ganz lebhaft vor! Wenn sie unerbittlich ist, dann ist es Zeit, mein Herr.
    Beaumarchais .
    Ich bestehe auf der Erklärung.
    Clavigo (nach dem Tisch zu gehend) .
    Und wenn ich nach dem Degen greife?
    Beaumarchais (gehend) .
    Gut, mein Herr! Schön, mein Herr!
    Clavigo (ihn zurückhaltend) .
    Noch ein Wort! Sie haben die gute Sache; lassen Sie mich die Klugheit für Sie haben. Bedenken Sie, was Sie tun. Auf beide Fälle sind wir alle unwiederbringlich verloren. Müsst’ ich nicht für Schmerz, für Beängstigung untergehen, wenn Ihr Blut meinen Degen färben sollte, wenn ich Marien noch über all ihr Unglück auch ihren Bruder raubte, und dann – der Mörder des Clavigo würde die Pyrenäen nicht zurückmessen.
    Beaumarchais .
    Die Erklärung, mein Herr, die Erklärung!
    Clavigo .
    So sei’s denn. Ich will alles tun, um Sie von der aufrichtigen Gesinnung zu überzeugen, die mir Ihre Gegenwart einflößt. Ich will die Erklärung schreiben, ich will sie schreiben aus Ihrem Munde. Nur versprechen Sie mir, nicht eher Gebrauch davon zu machen, bis ich imstande gewesen bin, Donna Maria von meinem geänderten reuevollen Herzen zu überzeugen; bis ich mit Ihrer Ältesten ein Wort gesprochen, bis diese ihr gütiges Fürwort bei meiner Geliebten eingelegt hat. So lange, mein Herr.
    Beaumarchais .
    Ich gehe nach Aranjuez.
    Clavigo .
    Gut denn, bis Sie wiederkommen, so lange bleibt die Erklärung in Ihrem Portefeuille; hab’ ich meine Vergebung nicht, so lassen Sie Ihrer Rache vollen Lauf. Dieser Vorschlag ist gerecht, anständig, klug, und wenn Sie nicht wollen, so sei’s denn unter uns beiden um Leben und Tod gespielt. Und der das Opfer seiner Übereilung wird, sind immer Sie und Ihre arme Schwester.
    Beaumarchais .
    Es steht Ihnen an, die zu bedauern, die Sie unglücklich gemacht haben.
    Clavigo (sich setzend) .
    Sind Sie das zufrieden?
    Beaumarchais .
    Gut denn, ich gebe nach! Aber keinen Augenblick länger. Ich komme von Aranjez, ich frage, ich höre! Und hat man Ihnen nicht vergeben, wie ich denn hoffe, wie ich’s wünsche – gleich auf, und mit dem Zettel in die Druckerei.
    Clavigo (nimmt Papier) .
    Wie verlangen Sie’s?
    Beaumarchais .
    Mein Herr! In Gegenwart Ihrer Bedienten.
    Clavigo .
    Wozu das?
    Beaumarchais .
    Befehlen Sie nur, dass sie in der anstoßenden Galerie gegenwärtig sind. Man soll nicht sagen, dass ich Sie gezwungen

Weitere Kostenlose Bücher