Sämtliche Werke
bricht ihm den Hals. Heiß mich einen Schreiber, wenn ich den Buben nicht in zwei Tagen im Gefängnis habe und mit dem nächsten Transport nach Indien.
Clavigo .
Nein, Carlos. Die Sache steht anders, als du denkst.
Carlos .
Wie?
Clavigo .
Ich hoffe, durch seine Vermittlung, durch mein eifriges Bestreben, Verzeihung von der Unglücklichen zu erhalten.
Carlos .
Clavigo!
Clavigo .
Ich hoff’, all das Vergangene zu tilgen, das Zerrüttete wieder herzustellen und so in meinen Augen und in den Augen der Welt wieder zum ehrlichen Mann zu werden.
Carlos .
Zum Teufel, bist du kindisch geworden? Man spürt dir doch immer an, dass du ein Gelehrter bist. – Dich so betören zu lassen! Siehst du nicht, dass das ein einfältig angelegter Plan ist, um dich ins Garn zu sprengen?
Clavigo .
Nein, Carlos, er will die Heirat nicht; sie sind dagegen, sie will nichts von mir hören.
Carlos .
Das ist die rechte Höhe. Nein, guter Freund, nimm mir’s nicht übel, ich hab’ wohl in Komödien gesehen, dass man einen Landjunker so geprellt hat.
Clavigo .
Du beleidigst mich. Ich bitte, spare deinen Humor auf meine Hochzeit. Ich bin entschlossen, Marien zu heiraten, freiwillig, aus innerm Trieb. Meine ganze Hoffnung, meine ganze Glückseligkeit ruht auf dem Gedanken, ihre Vergebung zu erhalten. Und dann fahr hin, Stolz! An der Brust dieser Lieben liegt noch der Himmel wie vormals; aller Ruhm, den ich erwerbe, alle Größe, zu der ich mich erhebe, wird mich mit doppeltem Gefühl ausfüllen: Denn das Mädchen teilt’s mit mir, die mich zum doppelten Menschen macht. Leb’ wohl! Ich muss hin! Ich muss die Guilbert wenigstens sprechen.
Carlos .
Warte nur bis nach Tisch.
Clavigo .
Keinen Augenblick. (Ab.)
Carlos (ihm nachsehend und eine Weile schweigend) .
Da macht wieder jemand einmal einen dummen Streich. (Ab.)
*
Dritter Akt
(Guilberts Wohnung.)
Sophie Guilbert . Marie Beaumarchais .
Marie .
Du hast ihn gesehen? Mir zittern alle Glieder! Du hast ihn gesehen? Ich war nah an einer Ohnmacht, als ich hörte, er käme, und du hast ihn gesehen? Nein, ich kann, ich werde, nein, ich kann ihn nie wieder sehn.
Sophie .
Ich war außer mir, als er herein trat; denn ach! Liebt’ ich ihn nicht, wie du, mit der vollsten, reinsten, schwesterlichsten Liebe? Hat mich nicht seine Entfernung gekränkt, gemartert? – Und nun, den Rückkehrenden, den Reuigen zu meinen Füßen. – Schwester! Es ist was Bezauberndes in seinem Anblick, in dem Ton seiner Stimme. Er –
Marie .
Nimmer, nimmermehr!
Sophie .
Er ist noch der alte, noch eben das gute, sanfte, fühlbare Herz, noch eben die Heftigkeit der Leidenschaft. Es ist noch eben die Begier, geliebt zu werden, und das ängstliche marternde Gefühl, wenn ihm Neigung versagt wird. Alles! Alles! Und von dir spricht er, Marie! Wie in jenen glücklichen Tagen der feurigsten Leidenschaft; es ist, als wenn dein guter Geist diesen Zwischenraum von Untreu und Entfernung selbst veranlasst habe, um das Einförmige, Schleppende einer langen Bekanntschaft zu unterbrechen und dem Gefühl eine neue Lebhaftigkeit zu geben.
Marie .
Du redst ihm das Wort?
Sophie .
Nein, Schwester, auch versprach ich’s ihm nicht. Nur, meine Beste, seh’ ich die Sachen, wie sie sind. Du und der Bruder, ihr seht sie in einem allzu romantischen Lichte. Du hast das mit gar manchem guten Kinde gemein, dass dein Liebhaber treulos ward und dich verließ! Und dass er wiederkommt, reuig seinen Fehler verbessern, alle alte Hoffnungen erneuern will – das ist ein Glück, das eine andere nicht leicht von sich stoßen würde.
Marie .
Mein Herz würde reißen!
Sophie .
Ich glaube dir. Der erste Anblick muss auf dich eine empfindliche Wirkung machen – und dann, meine Beste, ich bitte dich, halt diese Bangigkeit, diese Verlegenheit, die dir alle Sinne zu übermeistern scheint, nicht für eine Wirkung des Hasses, für keinen Widerwillen. Dein Herz spricht mehr für ihn, als du es glaubst, und ebendarum traust du dich nicht, ihn wieder zu sehen, weil du seine Rückkehr so sehnlich wünschest.
Marie .
Sei barmherzig.
Sophie .
Du sollst glücklich werden. Fühlt’ ich, dass du ihn verachtetest, dass er dir gleichgültig wäre, so wollt’ ich keine Wort weiter reden, so sollt’ er mein Angesicht nicht mehr sehen. Doch so, meine Liebe – Du wirst mir danken, dass ich dir geholfen habe, diese ängstliche Unbestimmtheit zu überwinden, die ein Zeichen der innigsten Liebe ist.
Die Vorigen. Guilbert,
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