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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Haus.
    In der Académie royale de musique, der Großen Oper, gab man dieser Tage »Karl VI.«, Text von Casimir Delavigne, Musik von Halévy. Auch hier bemerken wir zwischen dem Dichter und Komponisten eine wahlverwandte Ähnlichkeit. Sie haben beide durch gewissenhaftes edles Streben ihre natürliche Begabnis zu steigern gewußt und mehr durch die äußere Zucht der Schule als durch innere Ursprünglichkeit sich herangebildet. Deshalb sind sie auch beide nie ganz dem Schlechten verfallen, wie es dem Originalgenie zuweilen begegnet; sie leisteten immer etwas Erquickliches, etwas Schönes, etwas Respektables, Akademisches, Klassisches. Beide sind dabei gleich edle Naturen, würdige Gestalten, und in einer Zeit, wo das Gold sich geizig versteckt, wollen wir an dem kursierenden Silber nicht geringschätzend mäkeln. »Der Fliegende Holländer« von Dietz ist seitdem traurig gescheitert; ich habe diese Oper nicht gehört, nur das Libretto kam mir zu Gesicht, und mit Widerwillen sah ich, wie die schöne Fabel, die ein bekannter deutscher Schriftsteller (H. Heine) fast ganz mundgerecht für die Bühne ersonnen, in dem französischen Text verhunzt worden.
    Als gewissenhafter Berichterstatter muß ich erwähnen, daß unter den deutschen Landsleuten, die hier anwesend, sich auch der vortreffliche Meister Konradin Kreutzer befindet. Konradin Kreutzer ist hier zu bedeutendem Ansehn gelangt durch das »Nachtlager von Granada«, das die deutsche Truppe, verhungerten Andenkens, gegeben hat. Mir ist der verehrte Meister schon seit meinen frühesten Jugendtagen bekannt, wo mich seine Liederkompositionen entzückten; noch heute tönen sie mir im Gemüte, wie singende Wälder mit schluchzenden Nachtigallen und blühender Frühlingslust. Herr Kreutzer sagt mir, daß er für die Opéra comique ein Libretto in Musik setzen wird. Möge es ihm gelingen, auf diesem gefährlichen Pfad nicht zu straucheln und von den abgefeimten Roués der Pariser Komödiantenwelt nicht hinters Licht geführt zu werden, wie so manchen Deutschen vor ihm geschehen, die sogar den Vorzug hatten, weniger Talent als Herr Kreutzer zu besitzen, und jedenfalls leichtfüßiger als letzterer auf dem glatten Boden von Paris sich zu bewegen wußten. Welche traurigen Erfahrungen mußte Herr Richard Wagner machen, der endlich, der Sprache der Vernunft und des Magens gehorchend, das gefährliche Projekt, auf der französischen Bühne Fuß zu fassen, klüglich aufgab und nach dem deutschen Kartoffelland zurückflatterte. Vorteilhafter ausgerüstet im materiellen und industrieusen Sinne ist der alte Dessauer, welcher, wie er behauptet, im Auftrage der Opéra-comique-Direktion eine Oper komponiert. Den Text liefert ihm Herr Scribe, dem vorher ein hiesiges Bankierhaus Bürgschaft leistet, daß bei etwaigem Durchfall des alten Dessauer ihm, dem berühmten Librettofabrikanten, eine namhafte Summe als Abtrittsgeld oder Dedit ausbezahlt werde. Er hat in der Tat recht, sich vorzusehen, da der alte Dessauer, wie er uns täglich vorwimmert, an der Melancholik leidet. Aber wer ist der alte Dessauer? Es kann doch nicht der Alte Dessauer sein, der im Siebenjährigen Kriege so viele Lorbeern gewonnen und dessen Marsch so berühmt geworden und dessen Statue im Berliner Schloßgarten stand und seitdem umgefallen ist? Nein, teurer Leser! Der Dessauer, von welchem wir reden, hat nie Lorbeern gewonnen, er schrieb auch keine berühmten Märsche, und es ist ihm auch keine Statue gesetzt worden, welche umgefallen. Er ist nicht der preußische Alte Dessauer, und dieser Name ist nur ein nom de guerre oder vielleicht ein Spitzname, den man ihm erteilt hat, ob seinem ältlichen katzenbucklicht gekrümmten und benauten Aussehen. Er ist ein alter Jüngling, der sich schlecht konserviert. Er ist nicht aus Dessau, im Gegenteil, er ist aus Prag, wo er im israelitischen Quartier zwei große reinliche Häuser besitzt; auch in Wien soll er ein Haus besitzen und sonstig sehr vermögend sein. Er hat also nicht nötig zu komponieren, wie die alte Mosson sagen würde. Aber aus Vorliebe für die Kunst vernachlässigte er seine Handlungsgeschäfte, trieb Musik und komponierte frühzeitig eine Oper, welche durch edle Beharrlichkeit zur Aufführung gelangte und anderthalb Vorstellungen erlebte. So wie in Prag, suchte der alte Dessauer auch in Wien seine Talente geltend zu machen, doch die Clique, welche für Mozart, Beethoven und Schubert schwärmt, ließ ihn nicht aufkommen; man verstand ihn nicht, was schon wegen

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