Sämtliche Werke
Helden der Vergangenheit, die alten Stelzfüße abgeschlossener Nationalität, die Invaliden und Inkurabeln, werden wir bald aus den Augen verlieren.
Die Eröffnung der beiden neuen Eisenbahnen, wovon die eine nach Orléans, die andere nach Rouen führt, verursacht hier eine Erschütterung, die jeder mitempfindet, wenn er nicht etwa auf einem sozialen Isolierschemel steht. Die ganze Bevölkerung von Paris bildet in diesem Augenblick gleichsam eine Kette, wo einer dem andern den elektrischen Schlag mitteilt. Während aber die große Menge verdutzt und betäubt die äußere Erscheinung der großen Bewegungsmächte anstarrt, erfaßt den Denker ein unheimliches Grauen, wie wir es immer empfinden, wenn das Ungeheuerste, das Unerhörteste geschieht, dessen Folgen unabsehbar und unberechenbar sind. Wir merken bloß, daß unsre ganze Existenz in neue Gleise fortgerissen, fortgeschleudert wird, daß neue Verhältnisse, Freuden und Drangsale uns erwarten, und das Unbekannte übt seinen schauerlichen Reiz, verlockend und zugleich beängstigend. So muß unsern Vätern zumut gewesen sein, als Amerika entdeckt wurde, als die Erfindung des Pulvers sich durch ihre ersten Schüsse ankündigte, als die Buchdruckerei die ersten Aushängebogen des göttlichen Wortes in die Welt schickte. Die Eisenbahnen sind wieder ein solches providentielles Ereignis, das der Menschheit einen neuen Umschwung gibt, das die Farbe und Gestalt des Lebens verändert; es beginnt ein neuer Abschnitt in der Weltgeschichte, und unsre Generation darf sich rühmen, daß sie dabeigewesen. Welche Veränderungen müssen jetzt eintreten in unsrer Anschauungsweise und in unsern Vorstellungen! Sogar die Elementarbegriffe von Zeit und Raum sind schwankend geworden. Durch die Eisenbahnen wird der Raum getötet, und es bleibt uns nur noch die Zeit übrig. Hätten wir nur Geld genug, um auch letztere anständig zu töten! In vierthalb Stunden reist man jetzt nach Orléans, in ebensoviel Stunden nach Rouen. Was wird das erst geben, wenn die Linien nach Belgien und Deutschland ausgeführt und mit den dortigen Bahnen verbunden sein werden! Mir ist, als kämen die Berge und Wälder aller Länder auf Paris angerückt. Ich rieche schon den Duft der deutschen Linden; vor meiner Türe brandet die Nordsee.
Es haben sich nicht bloß für die Ausführung der Nordeisenbahn, sondern auch für die Anlage vieler andern Linien große Gesellschaften gebildet, die das Publikum in gedruckten Zirkularen zur Teilnahme auffordern. Jede versendet einen Prospektus, an dessen Spitze in großen Zahlen das Kapital paradiert, das die Kosten der Unternehmung decken wird. Es beträgt immer einige funfzig bis hundert, ja sogar mehre hundert Millionen Francs; es werden, sobald die zur Subskription limitierte Zeit verflossen, keine Subskribenten mehr angenommen; auch wird bemerkt, daß, im Fall die Summe des limitierten Gesellschaftskapitals vor jenem Termin erreicht ist, niemand mehr zur Subskription zugelassen werden kann. Ebenfalls mit kolossalen Buchstaben stehen obenangedruckt die Namen der Personen, die das Comité de surveillance der Sozietät bilden; es sind nicht bloß Namen von Finanziers, Bankiers, Receveurs-généraux, Usineninhabern und Fabrikanten, sondern auch Namen von hohen Staatsbeamten, Prinzen, Herzögen, Marquis, Grafen, die zwar meist unbekannt, aber mit ihrer offiziellen und feudalistischen Titulatur gar prachtvoll klingen, so daß man glaubt, die Trompetenstöße zu vernehmen, womit Bajazzo auf dem Balkon einer Marktbude das verehrungswürdige Publikum zum Hereintreten einladet. On ne paie qu’en entrant. Wer traute nicht einem solchen Comité de surveillance, das aber keineswegs, wie viele glauben, eine solidarische Garantie versprochen haben will und keine feste Stütze ist, sondern als Karyatide figuriert. Ich bemerkte einem meiner Freunde meine Verwunderung, daß unter den Mitgliedern der Komitees sich auch Marineoffiziere befänden, ja daß ich auf vielen Prospektuszirkularen als Präsidenten der Sozietät die Namen von Admirälen gedruckt sähe. So z.B. sähe ich den Namen des Admirals Rosamel, nach welchem sogar die ganze Gesellschaft und sogar ihre Aktien genannt werden. Mein Freund, der sehr lachlustig, meinte, eine solche Beigesellung von Seeoffizieren sei eine sehr kluge Vorsichtsmaßregel der respektiven Gesellschaften, für den Fall, daß sie mit der Justiz in eine fatale Kollision kämen und von einer Jury zu den Galeeren verurteilt würden; die Mitglieder der
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