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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Reichtums und der Gewalt schützt euch nichts – als der Tod und die Satire.
    »Universalität
ist der Charakter unserer Zeit«, sagt Herr Menzel im zweiten Teile S. 63 seines Werkes, und da dieses letztere, wie wir oben bemerkt, ganz den Charakter unserer Zeit trägt, so finden wir darin auch ein Streben nach jener Universalität. Daher ein Verbreiten über alle Richtungen des Lebens und des Wissens, und zwar unter folgenden Rubriken: »Die Masse der Literatur, Nationalität, Einfluß der Schulgelehrsamkeit, Einfluß der fremden Literatur, der literarische Verkehr, Religion, Philosophie, Geschichte, Staat, Erziehung, Natur, Kunst und Kritik.« Es ist zu bezweifeln, ob ein junger Gelehrter in allen möglichen Disziplinen so tief eingeweiht sein kann, daß wir eine gründliche Kritik des neuesten Zustandes derselben von ihm erwarten dürften. Herr Menzel hat sich durch Divination und Konstruktion zu helfen gewußt. Im Divinieren ist er oft sehr glücklich, im Konstruieren immer geistreich. Wenn auch zuweilen seine Annahmen willkürlich und irrig sind, so ist er doch unübertrefflich im Zusammenstellen des Gleichartigen und der Gegensätze. Er verfährt kombinatorisch und konziliatorisch. Den Zweck dieser Blätter berücksichtigend, wollen wir als eine Probe der Menzelschen Darstellungsweise die folgende Stelle aus der Rubrik »Staat« mitteilen:
    »Bevor wir die Literatur der politischen Praxis betrachten, wollen wir einen Blick auf die Theorien werfen. Alle Praxis geht von den Theorien aus. Es ist jetzt nicht mehr die Zeit, da die Völker aus einem gewissen sinnlichen Übermut oder aus zufälligen örtlichen Veranlassungen in einen vorübergehenden Hader geraten. Sie kämpfen vielmehr um Ideen, und eben darum ist ihr Kampf ein allgemeiner, im Herzen eines jeden Volks selbst, und nur insofern eines Volks wider das andere, als bei dem einen diese, bei dem anderen jene Idee das Übergewicht behauptet. Der Kampf ist durchaus philosophisch geworden, so wie er früher religiös gewesen. Es ist nicht ein Vaterland, nicht ein großer Mann, worüber man streitet, sondern es sind
Überzeugungen
, denen die Völker wie die Helden sich unterordnen müssen. Völker haben mit Ideen gesiegt, aber sobald sie ihren Namen an die Stelle der Idee zu setzen gewagt, sind sie zuschanden geworden; Helden haben durch Ideen eine Art von Weltherrschaft erobert, aber sobald sie die Idee verlassen, sind sie in Staub gebrochen. Die Menschen haben gewechselt, nur die Ideen sind bestanden. Die Geschichte war nur die Schule der Prinzipien. Das vorige Jahrhundert war reicher an voraussichtigen Spekulationen, das gegenwärtige ist reicher an Rücksichten und Erfahrungsgrundsätzen. In beiden liegen die Hebel der Begebenheiten, durch sie wird alles erklärt, was geschehen ist.
    Es gibt nur zwei Prinzipe oder entgegengesetzte Pole der politischen Welt, und an beiden Endpunkten der großen Achse haben die
Parteien
sich gelagert und bekämpfen sich mit steigender Erbitterung. Zwar gilt nicht jedes Zeichen der Partei für jeden ihrer Anhänger, zwar wissen manche kaum, daß sie zu dieser bestimmten Partei gehören, zwar bekämpfen sich die Glieder einer Partei untereinander selbst, sofern sie aus ein und demselben Prinzip verschiedene Folgerungen ziehen; im allgemeinen aber muß der subtilste Kritiker so gut wie das gemeine Zeitungspublikum einen Strich ziehen zwischen
Liberalismus
und
Servilismus
, Republikanismus und Autokratie. Welches auch die Nuancen sein mögen, jenes clair-obscur und jene bis zur Farblosigkeit gemischten Tinten, in welche beide Hauptfarben ineinander übergehen, diese Hauptfarben selbst verbergen sich nirgends, sie bilden den großen, den einzigen Gegensatz in der Politik, und man sieht sie den Menschen wie den Büchern gewöhnlich auf den ersten Blick an. Wohin wir im politischen Gebiet das Auge werfen, trifft es diese Farben an. Sie füllen es ganz aus, hinter ihnen ist leerer Raum.
    Die liberale Partei ist diejenige, die den politischen Charakter der neueren Zeit bestimmt, während die sogenannte servile Partei noch wesentlich im Charakter des Mittelalters handelt. Der Liberalismus schreitet daher in demselben Maße fort wie die Zeit selbst oder ist in dem Maße gehemmt, wie die Vergangenheit noch in die Gegenwart herüberdauert. Er entspricht dem Protestantismus, sofern er gegen das Mittelalter protestiert, er ist nur eine neue Entwickelung des Protestantismus im weltlichen Sinn, wie der Protestantismus ein geistlicher

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