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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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gleichfalls um die Zeit der Tagesgleiche, gegen Mitternacht, an das Fenster der Fischerhütte geklopft wurde und wieder mit großer Hast die drei vermummten Mönche erschienen, welche wieder den Kahn verlangten. Der Fischer überließ ihnen denselben diesmal mit weniger Besorgnis, und als sie nach einigen Stunden zurückkehrten und ihm einer der Mönche eilig das Fahrgeld in die Hand drückte, fühlte er wieder mit Schaudern die eiskalten Finger. Dasselbe Ereignis wiederholte sich jedes Jahr um dieselbe Zeit in derselben Weise, und endlich, als der siebente Jahrestag herannahte, ergriff den Fischer eine große Begier, das Geheimnis, das sich unter jenen drei Kutten verbarg, um jeden Preis zu erfahren. Er legte eine Menge Netzwerke in den Kahn, daß dieselben ein Versteck bildeten, wo er hineinschlüpfen konnte, während die Mönche das Fahrzeug besteigen würden. Die erwarteten dunklen Kunden kamen wirklich um die bestimmte Zeit, und es gelang dem Fischer, sich unversehens unter die Netze zu verstecken und an der Überfahrt teilzunehmen. Zu seiner Verwunderung dauerte diese nur kurze Zeit, während er sonst mehr als eine Stunde brauchte, ehe er ans entgegengesetzte Ufer gelangen konnte, und noch größer war sein Erstaunen, als er hier, wo die Gegend ihm so gut bekannt war, jetzt einen weiten offnen Waldesplatz sah, den er früher noch nie erblickt und der mit Bäumen umgeben war, die einer ihm ganz fremden Vegetation angehörten. Die Bäume waren behängt mit unzähligen Lampen, auch Vasen mit loderndem Waldharz standen auf hohen Postamenten, und dabei schien der Mond so hell, daß der Fischer die dort versammelte Menschenmenge so genau betrachten konnte wie am hellen Tage. Es waren viele hundert Personen, junge Männer und junge Frauen, meistens bildschön, obgleich ihre Gesichter alle so weiß wie Marmor waren, und dieser Umstand, verbunden mit der Kleidung, die in weißen, sehr weit aufgeschürzten Tuniken mit Purpursaum bestand, gab ihnen das Aussehn von wandelnden Statuen. Die Frauen trugen auf den Häuptern Kränze von natürlichem oder auch aus Gold und Silberdraht verfertigtem Weinlaub, und das Haar war zum Teil auf dem Scheitel in eine Krone geflochten, zum Teil auch ringelte dasselbe aus dieser Krone wildlockig hinab in den Nacken. Die jungen Männer trugen ebenfalls auf den Häuptern Kränze von Weinlaub. Männer und Weiber aber, in den Händen goldne Stäbe schwingend, die mit Weinlaub umrankt, kamen jubelnd herangeflogen, um die drei Ankömmlinge zu begrüßen. Einer derselben warf jetzt seine Kutte von sich, und zum Vorschein kam ein impertinenter Geselle von gewöhnlichem Mannesalter, der ein widerwärtig lüsternes, ja unzüchtiges Gesicht hatte, mit spitzen Bocksohren begabt war und eine lächerlich übertriebene Geschlechtlichkeit, eine höchst anstößige Hyperbel, zur Schau trug. Der andre Mönch warf ebenfalls seine Kutte von sich, und man sah einen nicht minder nackten Dickwanst, auf dessen kahlen Glatzkopf die mutwilligen Weiber einen Rosenkranz pflanzten. Beider Mönche Antlitz war schneeweiß, wie das der übrigen Versammlung. Schneeweiß war auch das Gesicht des dritten Mönchs, der schier lachend die Kapuze vom Haupte streifte. Als er den Gürtelstrick seiner Kutte losband und das fromme schmutzige Gewand nebst Kreuz und Rosenkranz mit Ekel von sich warf, erblickte man in einer von Diamanten glänzenden Tunika eine wunderschöne Jünglingsgestalt vom edelsten Ebenmaß, nur daß die runden Hüften und die schmächtige Taille etwas Weibisches hatten. Auch die zärtlich gewölbten Lippen und die verschwimmend weichen Züge verliehen dem Jüngling ein etwas weibisches Aussehen; doch sein Gesicht trug gleichwohl einen gewissen kühnen, fast übermütig heroischen Ausdruck. Die Weiber liebkosten ihn mit wilder Begeisterung, setzten ihm einen Efeukranz aufs Haupt und warfen auf seine Schulter ein prachtvolles Leopardenfell. In demselben Augenblick kam, bespannt mit zwei Löwen, ein goldner zweirädriger Siegeswagen herangerollt, auf den sich der junge Mensch mit Herrscherwürde, aber doch heitern Blickes hinaufschwang. Er leitete an purpurnen Zügeln das wilde Gespann. An der rechten Seite seines Wagens schritt der eine seiner entkutteten Gefährten, dessen geile Gebärden und obenerwähnte unanständige Übertriebenheit das Publikum ergötzte, während sein Genosse, der kahlköpfige Dickwanst, den die lustigen Frauen auf einen Esel gehoben hatten, an der linken Seite des Wagens einherritt, in

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