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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Senegalflusse.
    Das Fleisch ist hart, die Sehnen sind stramm,
    Wie Eisen vom besten Gusse.
    Ich hab zum Tausche Branntewein,
    Glasperlen und Stahlzeug gegeben;
    Gewinne daran achthundert Prozent,
    Bleibt mir die Hälfte am Leben.
    Bleiben mir Neger dreihundert nur
    Im Hafen von Rio-Janeiro,
    Zahlt dort mir hundert Dukaten per Stück
    Das Haus Gonzales Perreiro.«
    Da plötzlich wird Mynheer van Koek
    Aus seinen Gedanken gerissen;
    Der Schiffschirurgius tritt herein,
    Der Doktor van der Smissen.
    Das ist eine klapperdürre Figur,
    Die Nase voll roter Warzen –
    »Nun, Wasserfeldscherer«, ruft van Koek,
    »Wie geht’s meinen lieben Schwarzen?«
    Der Doktor dankt der Nachfrage und spricht:
    »Ich bin zu melden gekommen,
    Daß heute nacht die Sterblichkeit
    Bedeutend zugenommen.
    Im Durchschnitt starben täglich zwei,
    Doch heute starben sieben,
    Vier Männer, drei Frauen – Ich hab den Verlust
    Sogleich in die Kladde geschrieben.
    Ich inspizierte die Leichen genau;
    Denn diese Schelme stellen
    Sich manchmal tot, damit man sie
    Hinabwirft in die Wellen.
    Ich nahm den Toten die Eisen ab;
    Und wie ich gewöhnlich tue,
    Ich ließ die Leichen werfen ins Meer
    Des Morgens in der Fruhe.
    Es schossen alsbald hervor aus der Flut
    Haifische, ganze Heere,
    Sie lieben so sehr das Negerfleisch;
    Das sind meine Pensionäre.
    Sie folgten unseres Schiffes Spur,
    Seit wir verlassen die Küste;
    Die Bestien wittern den Leichengeruch
    Mit schnupperndem Fraßgelüste.
    Es ist possierlich anzusehn,
    Wie sie nach den Toten schnappen!
    Die faßt den Kopf, die faßt das Bein,
    Die andern schlucken die Lappen.
    Ist alles verschlungen, dann tummeln sie sich
    Vergnügt um des Schiffes Planken
    Und glotzen mich an, als wollten sie
    Sich für das Frühstück bedanken.«
    Doch seufzend fällt ihm in die Red’
    Van Koek: »Wie kann ich lindern
    Das Übel? wie kann ich die Progression
    Der Sterblichkeit verhindern?«
    Der Doktor erwidert: »Durch eigne Schuld
    Sind viele Schwarze gestorben;
    Ihr schlechter Odem hat die Luft
    Im Schiffsraum so sehr verdorben.
    Auch starben viele durch Melancholie,
    Dieweil sie sich tödlich langweilen;
    Durch etwas Luft, Musik und Tanz
    Läßt sich die Krankheit heilen.«
    Da ruft van Koek: »Ein guter Rat!
    Mein teurer Wasserfeldscherer
    Ist klug wie Aristoteles,
    Des Alexanders Lehrer.
    Der Präsident der Sozietät
    Der Tulpenveredlung im Delfte
    Ist sehr gescheit, doch hat er nicht
    Von Eurem Verstande die Hälfte.
    Musik! Musik! Die Schwarzen soll’n
    Hier auf dem Verdecke tanzen.
    Und wer sich beim Hopsen nicht amüsiert,
    Den soll die Peitsche kuranzen.«
    2
    Hoch aus dem blauen Himmelszelt
    Viel tausend Sterne schauen,
    Sehnsüchtig glänzend, groß und klug,
    Wie Augen von schönen Frauen.
    Sie blicken hinunter in das Meer,
    Das weithin überzogen
    Mit phosphorstrahlendem Purpurduft;
    Wollüstig girren die Wogen.
    Kein Segel flattert am Sklavenschiff,
    Es liegt wie abgetakelt;
    Doch schimmern Laternen auf dem Verdeck,
    Wo Tanzmusik spektakelt.
    Die Fiedel streicht der Steuermann,
    Der Koch, der spielt die Flöte,
    Ein Schiffsjung’ schlägt die Trommel dazu,
    Der Doktor bläst die Trompete.
    Wohl hundert Neger, Männer und Fraun,
    Sie jauchzen und hopsen und kreisen
    Wie toll herum; bei jedem Sprung
    Taktmäßig klirren die Eisen.
    Sie stampfen den Boden mit tobender Lust,
    Und manche schwarze Schöne
    Umschlingt wollüstig den nackten Genoß –
    Dazwischen ächzende Töne.
    Der Büttel ist Maître des plaisirs,
    Und hat mit Peitschenhieben
    Die lässigen Tänzer stimuliert,
    Zum Frohsinn angetrieben.
    Und Dideldumdei und Schnedderedeng!
    Der Lärm lockt aus den Tiefen
    Die Ungetüme der Wasserwelt,
    Die dort blödsinnig schliefen.
    Schlaftrunken kommen geschwommen heran
    Haifische, viele hundert;
    Sie glotzen nach dem Schiff hinauf,
    Sie sind verdutzt, verwundert.
    Sie merken, daß die Frühstückstund’
    Noch nicht gekommen, und gähnen,
    Aufsperrend den Rachen; die Kiefer sind
    Bepflanzt mit Sägezähnen.
    Und Dideldumdei und Schnedderedeng –
    Es nehmen kein Ende die Tänze.
    Die Haifische beißen vor Ungeduld
    Sich selber in die Schwänze.
    Ich glaube, sie lieben nicht die Musik,
    Wie viele von ihrem Gelichter.
    »Trau keiner Bestie, die nicht liebt
    Musik!« sagt Albions großer Dichter.
    Und Schnedderedeng und Dideldumdei –
    Die Tänze nehmen kein Ende.
    Am Fockmast steht Mynheer van Koek
    Und faltet betend die Hände:
    »Um Christi willen verschone, o Herr,
    Das Leben der schwarzen

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