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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Zimmer.
    Vielleicht bin ich gestorben längst;
    Es sind vielleicht nur Spukgestalten
    Die Phantasien, die des Nachts
    Im Hirn den bunten Umzug halten.
    Es mögen wohl Gespenster sein,
    Altheidnisch göttlichen Gelichters;
    Sie wählen gern zum Tummelplatz
    Den Schädel eines toten Dichters. –
    Die schaurig süßen Orgia,
    Das nächtlich tolle Geistertreiben,
    Sucht des Poeten Leichenhand
    Manchmal am Morgen aufzuschreiben.
    4
    Einst sah ich viele Blumen blühen
    An meinem Weg; jedoch zu faul,
    Mich pflückend nieder zu bemühen,
    Ritt ich vorbei auf stolzem Gaul.
    Jetzt, wo ich todessiech und elend,
    Jetzt, wo geschaufelt schon die Gruft,
    Oft im Gedächtnis höhnend, quälend,
    Spukt der verschmähten Blumen Duft.
    Besonders eine feuergelbe
    Viole brennt mir stets im Hirn.
    Wie reut es mich, daß ich dieselbe
    Nicht einst genoß, die tolle Dirn’.
    Mein Trost ist: Lethes Wasser haben
    Noch jetzt verloren nicht die Macht,
    Das dumme Menschenherz zu laben
    Mit des Vergessens süßer Nacht.
    5
    Ich sah sie lachen, sah sie lächeln,
    Ich sah sie ganz zugrunde gehn;
    Ich hört ihr Weinen und ihr Röcheln,
    Und habe ruhig zugesehn.
    Leidtragend folgt ich ihren Särgen,
    Und bis zum Kirchhof ging ich mit;
    Hernach, ich will es nicht verbergen,
    Speist ich zu Mittag mit App’tit.
    Doch jetzt auf einmal mit Betrübnis
    Denk ich der längstverstorbnen Schar;
    Wie lodernd plötzliche Verliebnis
    Stürmt’s auf im Herzen wunderbar!
    Besonders sind es Julchens Tränen,
    Die im Gedächtnis rinnen mir;
    Die Wehmut wird zu wildem Sehnen,
    Und Tag und Nacht ruf ich nach ihr! – –
    Oft kommt zu mir die tote Blume
    Im Fiebertraum; alsdann zumut’
    Ist mir, als böte sie postume
    Gewährung meiner Liebesglut.
    O zärtliches Phantom, umschließe
    Mich fest und fester, deinen Mund,
    Drück ihn auf meinen Mund – versüße
    Die Bitternis der letzten Stund’!
    6
    Du warst ein blondes Jungfräulein, so artig,
    So niedlich und so kühl – vergebens harrt ich
    Der Stunde, wo dein Herze sich erschlösse
    Und sich daraus Begeisterung ergösse –
    Begeisterung für jene hohen Dinge,
    Die zwar Verstand und Prosa achten g’ringe,
    Für die jedoch die Edlen, Schönen, Guten
    Auf dieser Erde schwärmen, leiden, bluten.
    Am Strand des Rheins, wo Rebenhügel ragen,
    Ergingen wir uns einst in Sommertagen.
    Die Sonne lachte; aus den liebevollen
    Kelchen der Blumen Wohlgerüche quollen.
    Die Purpurnelken und die Rosen sandten
    Uns rote Küsse, die wie Flammen brannten.
    Im kümmerlichsten Gänseblümchen schien
    Ein ideales Leben aufzublühn.
    Du aber gingest ruhig neben mir,
    Im weißen Atlaskleid, voll Zucht und Zier,
    Als wie ein Mädchenbild gemalt von Netscher;
    Ein Herzchen im Korsett wie’n kleiner Gletscher.
    7
    Vom Schöppenstuhle der Vernunft
    Bist du vollständig freigesprochen;
    Das Urteil sagt: »Die Kleine hat
    Durch Tun und Reden nichts verbrochen.«
    Ja, stumm und tatlos standest du,
    Als mich verzehrten tolle Flammen –
    Du schürtest nicht, du sprachst kein Wort,
    Und doch muß dich mein Herz verdammen.
    In meinen Träumen jede Nacht
    Klagt eine Stimme, die bezichtet
    Des bösen Willens dich und sagt,
    Du habest mich zugrund’ gerichtet.
    Sie bringt Beweis und Zeugnis bei,
    Sie schleppt ein Bündel von Urkunden;
    Jedoch am Morgen, mit dem Traum,
    Ist auch die Klägerin verschwunden.
    Sie hat in meines Herzens Grund
    Mit ihren Akten sich geflüchtet –
    Nur eins bleibt im Gedächtnis mir,
    Das ist: ich bin zugrund’ gerichtet.
    8
    Ein Wetterstrahl, beleuchtend plötzlich
    Des Abgrunds Nacht, war mir dein Brief;
    Er zeigte blendend hell, wie tief
    Mein Unglück ist, wie tief entsetzlich.
    Selbst dich ergreift ein Mitgefühl!
    Dich, die in meines Lebens Wildnis
    So schweigsam standest, wie ein Bildnis,
    Das marmorschön und marmorkühl.
    O Gott, wie muß ich elend sein!
    Denn sie sogar beginnt zu sprechen,
    Aus ihrem Auge Tränen brechen,
    Der Stein sogar erbarmt sich mein!
    Erschüttert hat mich, was ich sah!
    Auch du erbarm dich mein und spende
    Die Ruhe mir, o Gott, und ende
    Die schreckliche Tragödia.
    9
    Die Gestalt der wahren Sphinx
    Weicht nicht ab von der des Weibes;
    Faselei ist jener Zusatz
    Des betatzten Löwenleibes.
    Todesdunkel ist das Rätsel
    Dieser wahren Sphinx. Es hatte
    Kein so schweres zu erraten
    Frau Jokastens Sohn und Gatte.
    Doch zum Glücke kennt sein eignes
    Rätsel nicht das Frauenzimmer;
    Spräch es aus das Lösungswort,
    Fiele diese Welt in Trümmer.
    10
    Es sitzen am Kreuzweg drei

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