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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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ich.
    Und gehn auch Jahre drüber hin,
    Ich raste nicht, bis ich verwandle
    In Wirklichkeit, was du gedacht;
    Du denkst, und ich, ich handle.
    Du bist der Richter, der Büttel bin ich,
    Und mit dem Gehorsam des Knechtes
    Vollstreck ich das Urteil, das du gefällt,
    Und sei es ein ungerechtes.
    Dem Konsul trug man ein Beil voran
    Zu Rom, in alten Tagen.
    Auch du hast deinen Liktor, doch wird
    Das Beil dir nachgetragen.
    Ich bin dein Liktor, und ich geh
    Beständig mit dem blanken
    Richtbeile hinter dir – ich bin
    Die Tat von deinem Gedanken.«
    Caput VII
    Ich ging nach Haus und schlief, als ob
    Die Engel gewiegt mich hätten.
    Man ruht in deutschen Betten so weich,
    Denn das sind Federbetten.
    Wie sehnt ich mich oft nach der Süßigkeit
    Des vaterländischen Pfühles,
    Wenn ich auf harten Matratzen lag,
    In der schlaflosen Nacht des Exiles!
    Man schläft sehr gut und träumt auch gut
    In unseren Federbetten.
    Hier fühlt die deutsche Seele sich frei
    Von allen Erdenketten.
    Sie fühlt sich frei und schwingt sich empor
    Zu den höchsten Himmelsräumen.
    O deutsche Seele, wie stolz ist dein Flug
    In deinen nächtlichen Träumen!
    Die Götter erbleichen, wenn du nahst!
    Du hast auf deinen Wegen
    Gar manches Sternlein ausgeputzt
    Mit deinen Flügelschlägen!
    Franzosen und Russen gehört das Land,
    Das Meer gehört den Briten,
    Wir aber besitzen im Luftreich des Traums
    Die Herrschaft unbestritten.
    Hier üben wir die Hegemonie,
    Hier sind wir unzerstückelt;
    Die andern Völker haben sich
    Auf platter Erde entwickelt. – –
    Und als ich einschlief, da träumte mir,
    Ich schlenderte wieder im hellen
    Mondschein die hallenden Straßen entlang,
    In dem altertümlichen Köllen.
    Und hinter mir ging wieder einher
    Mein schwarzer, vermummter Begleiter.
    Ich war so müde, mir brachen die Knie,
    Doch immer gingen wir weiter.
    Wir gingen weiter. Mein Herz in der Brust
    War klaffend aufgeschnitten,
    Und aus der Herzenswunde hervor
    Die roten Tropfen glitten.
    Ich tauchte manchmal die Finger hinein,
    Und manchmal ist es geschehen,
    Daß ich die Haustürpfosten bestrich
    Mit dem Blut im Vorübergehen.
    Und jedesmal, wenn ich ein Haus
    Bezeichnet in solcher Weise,
    Ein Sterbeglöckchen erscholl fernher,
    Wehmütig wimmernd und leise.
    Am Himmel aber erblich der Mond,
    Er wurde immer trüber;
    Gleich schwarzen Rossen jagten an ihm
    Die wilden Wolken vorüber.
    Und immer ging hinter mir einher
    Mit seinem verborgenen Beile
    Die dunkle Gestalt – so wanderten wir
    Wohl eine gute Weile.
    Wir gehen und gehen, bis wir zuletzt
    Wieder zum Domplatz gelangen;
    Weit offen standen die Pforten dort,
    Wir sind hineingegangen.
    Es herrschte im ungeheuren Raum
    Nur Tod und Nacht und Schweigen;
    Es brannten Ampeln hie und da,
    Um die Dunkelheit recht zu zeigen.
    Ich wandelte lange den Pfeilern entlang
    Und hörte nur die Tritte
    Von meinem Begleiter, er folgte mir
    Auch hier bei jedem Schritte.
    Wir kamen endlich zu einem Ort,
    Wo funkelnde Kerzenhelle
    Und blitzendes Gold und Edelstein;
    Das war die Drei-Königs-Kapelle.
    Die Heil’gen Drei Könige jedoch,
    Die sonst so still dort lagen,
    O Wunder! sie saßen aufrecht jetzt
    Auf ihren Sarkophagen.
    Drei Totengerippe, phantastisch geputzt,
    Mit Kronen auf den elenden
    Vergilbten Schädeln, sie trugen auch
    Das Zepter in knöchernen Händen.
    Wie Hampelmänner bewegten sie
    Die längstverstorbenen Knochen;
    Die haben nach Moder und zugleich
    Nach Weihrauchduft gerochen.
    Der eine bewegte sogar den Mund
    Und hielt eine Rede, sehr lange;
    Er setzte mir auseinander, warum
    Er meinen Respekt verlange.
    Zuerst weil er ein Toter sei,
    Und zweitens weil er ein König,
    Und drittens weil er ein Heil’ger sei –
    Das alles rührte mich wenig.
    Ich gab ihm zur Antwort lachenden Muts:
    »Vergebens ist deine Bemühung!
    Ich sehe, daß du der Vergangenheit
    Gehörst in jeder Beziehung.
    Fort! fort von hier! im tiefen Grab
    Ist eure natürliche Stelle.
    Das Leben nimmt jetzt in Beschlag
    Die Schätze dieser Kapelle.
    Der Zukunft fröhliche Kavallerie
    Soll hier im Dome hausen,
    Und weicht ihr nicht willig, so brauch ich Gewalt
    Und laß euch mit Kolben lausen!«
    So sprach ich, und ich drehte mich um,
    Da sah ich furchtbar blinken
    Des stummen Begleiters furchtbares Beil –
    Und er verstand mein Winken.
    Er nahte sich, und mit dem Beil
    Zerschmetterte er die armen
    Skelette des Aberglaubens, er schlug
    Sie nieder ohn’ Erbarmen.
    Es dröhnte der Hiebe Widerhall
    Aus allen Gewölben, entsetzlich!

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