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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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das ist mir lieb,
    Daß du mich nicht vergessen;
    Seit dreizehn Jahren sah ich dich nicht,
    Mir ging es schlecht unterdessen.
    Zu Biberich hab ich Steine verschluckt,
    Wahrhaftig, sie schmeckten nicht lecker!
    Doch schwerer liegen im Magen mir
    Die Verse von Niklas Becker.
    Er hat mich besungen, als ob ich noch
    Die reinste Jungfer wäre,
    Die sich von niemand rauben läßt
    Das Kränzlein ihrer Ehre.
    Wenn ich es höre, das dumme Lied,
    Dann möcht ich mir zerraufen
    Den weißen Bart, ich möchte fürwahr
    Mich in mir selbst ersaufen!
    Daß ich keine reine Jungfer bin,
    Die Franzosen wissen es besser,
    Sie haben mit meinem Wasser so oft
    Vermischt ihr Siegergewässer.
    Das dumme Lied und der dumme Kerl!
    Er hat mich schmählich blamieret,
    Gewissermaßen hat er mich auch
    Politisch kompromittieret.
    Denn kehren jetzt die Franzosen zurück,
    So muß ich vor ihnen erröten,
    Ich, der um ihre Rückkehr so oft
    Mit Tränen zum Himmel gebeten.
    Ich habe sie immer so liebgehabt,
    Die lieben kleinen Französchen –
    Singen und springen sie noch wie sonst?
    Tragen noch weiße Höschen?
    Ich möchte sie gerne wiedersehn,
    Doch fürcht ich die Persiflage,
    Von wegen des verwünschten Lieds,
    Von wegen der Blamage.
    Der Alfred de Musset, der Gassenbub’,
    Der kommt an ihrer Spitze
    Vielleicht als Tambour, und trommelt mir vor
    All seine schlechten Witze.«
    So klagte der arme Vater Rhein,
    Konnt sich nicht zufriedengeben.
    Ich sprach zu ihm manch tröstendes Wort,
    Um ihm das Herz zu heben:
    »O fürchte nicht, mein Vater Rhein,
    Den spöttelnden Scherz der Franzosen;
    Sie sind die alten Franzosen nicht mehr,
    Auch tragen sie andere Hosen.
    Die Hosen sind rot und nicht mehr weiß,
    Sie haben auch andere Knöpfe,
    Sie singen nicht mehr, sie springen nicht mehr,
    Sie senken nachdenklich die Köpfe.
    Sie philosophieren und sprechen jetzt
    Von Kant, von Fischte und Hegel,
    Sie rauchen Tabak, sie trinken Bier,
    Und manche schieben auch Kegel.
    Sie werden Philister ganz wie wir,
    Und treiben es endlich noch ärger;
    Sie sind keine Voltairianer mehr,
    Sie werden Hengstenberger.
    Der Alfred de Musset, das ist wahr,
    Ist noch ein Gassenjunge;
    Doch fürchte nichts, wir fesseln ihm
    Die schändliche Spötterzunge.
    Und trommelt er dir einen schlechten Witz,
    So pfeifen wir ihm einen schlimmern,
    Wir pfeifen ihm vor, was ihm passiert
    Bei schönen Frauenzimmern.
    Gib dich zufrieden, Vater Rhein,
    Denk nicht an schlechte Lieder,
    Ein besseres Lied vernimmst du bald –
    Leb wohl, wir sehen uns wieder.«
    Caput VI
    Den Paganini begleitete stets
    Ein Spiritus familiaris,
    Manchmal als Hund, manchmal in Gestalt
    Des seligen Georg Harrys.
    Napoleon sah einen roten Mann
    Vor jedem wicht’gen Ereignis.
    Sokrates hatte seinen Dämon,
    Das war kein Hirnerzeugnis.
    Ich selbst, wenn ich am Schreibtisch saß
    Des Nachts, hab ich gesehen
    Zuweilen einen vermummten Gast
    Unheimlich hinter mir stehen.
    Unter dem Mantel hielt er etwas
    Verborgen, das seltsam blinkte,
    Wenn es zum Vorschein kam, und ein Beil,
    Ein Richtbeil, zu sein mir dünkte.
    Er schien von untersetzter Statur,
    Die Augen wie zwei Sterne;
    Er störte mich im Schreiben nie,
    Blieb ruhig stehn in der Ferne.
    Seit Jahren hatte ich nicht gesehn
    Den sonderbaren Gesellen,
    Da fand ich ihn plötzlich wieder hier
    In der stillen Mondnacht zu Köllen.
    Ich schlenderte sinnend die Straßen entlang,
    Da sah ich ihn hinter mir gehen,
    Als ob er mein Schatten wäre, und stand
    Ich still, so blieb er stehen.
    Blieb stehen, als wartete er auf was,
    Und förderte ich die Schritte,
    Dann folgte er wieder. So kamen wir
    Bis auf des Domplatz’ Mitte.
    Es ward mir unleidlich, ich drehte mich um
    Und sprach: »Jetzt steh mir Rede,
    Was folgst du mir auf Weg und Steg
    Hier in der nächtlichen Öde?
    Ich treffe dich immer in der Stund’,
    Wo Weltgefühle sprießen
    In meiner Brust und durch das Hirn
    Die Geistesblitze schießen.
    Du siehst mich an so stier und fest –
    Steh Rede: Was verhüllst du
    Hier unter dem Mantel, das heimlich blinkt?
    Wer bist du und was willst du?«
    Doch jener erwiderte trockenen Tons,
    Sogar ein bißchen phlegmatisch:
    »Ich bitte dich, exorziere mich nicht,
    Und werde nur nicht emphatisch!
    Ich bin kein Gespenst der Vergangenheit,
    Kein grabentstiegener Strohwisch,
    Und von Rhetorik bin ich kein Freund,
    Bin auch nicht sehr philosophisch.
    Ich bin von praktischer Natur,
    Und immer schweigsam und ruhig.
    Doch wisse: was du ersonnen im Geist,
    Das führ ich aus, das tu

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