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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Westfalen,
    Ein Volk, so fest, so sicher, so treu,
    Ganz ohne Gleißen und Prahlen.
    Wie standen sie prächtig auf der Mensur
    Mit ihren Löwenherzen!
    Es fielen so grade, so ehrlich gemeint,
    Die Quarten und die Terzen.
    Sie fechten gut, sie trinken gut,
    Und wenn sie die Hand dir reichen
    Zum Freundschaftsbündnis, dann weinen sie;
    Sind sentimentale Eichen.
    Der Himmel erhalte dich, wackres Volk,
    Er segne deine Saaten,
    Bewahre dich vor Krieg und Ruhm,
    Vor Helden und Heldentaten.
    Er schenke deinen Söhnen stets
    Ein sehr gelindes Examen,
    Und deine Töchter bringe er hübsch
    Unter die Haube – Amen!
    Caput XI
    Das ist der Teutoburger Wald,
    Den Tacitus beschrieben,
    Das ist der klassische Morast,
    Wo Varus steckengeblieben.
    Hier schlug ihn der Cheruskerfürst,
    Der Hermann, der edle Recke;
    Die deutsche Nationalität,
    Die siegte in diesem Drecke.
    Wenn Hermann nicht die Schlacht gewann,
    Mit seinen blonden Horden,
    So gäb es deutsche Freiheit nicht mehr,
    Wir wären römisch geworden!
    In unserem Vaterland herrschten jetzt
    Nur römische Sprache und Sitten,
    Vestalen gäb es in München sogar,
    Die Schwaben hießen Quiriten!
    Der Hengstenberg wär ein Haruspex
    Und grübelte in den Gedärmen
    Von Ochsen. Neander wär ein Augur
    Und schaute nach Vögelschwärmen.
    Birch-Pfeiffer söffe Terpentin,
    Wie einst die römischen Damen.
    (Man sagt, daß sie dadurch den Urin
    Besonders wohlriechend bekamen.)
    Der Raumer wäre kein deutscher Lump,
    Er wäre ein röm’scher Lumpacius.
    Der Freiligrath dichtete ohne Reim,
    Wie weiland Flaccus Horatius.
    Der grobe Bettler, Vater Jahn,
    Der hieße jetzt Grobianus.
    Me hercule! Maßmann spräche Latein,
    Der Marcus Tullius Maßmanus!
    Die Wahrheitsfreunde würden jetzt
    Mit Löwen, Hyänen, Schakalen
    Sich raufen in der Arena, anstatt
    Mit Hunden in kleinen Journalen.
    Wir hätten
einen
Nero jetzt,
    Statt Landesväter drei Dutzend.
    Wir schnitten uns die Adern auf,
    Den Schergen der Knechtschaft trutzend.
    Der Schelling wär ganz ein Seneca,
    Und käme in solchem Konflikt um.
    Zu unsrem Cornelius sagten wir:
    »Cacatum non est pictum.«
    Gottlob! Der Hermann gewann die Schlacht,
    Die Römer wurden vertrieben,
    Varus mit seinen Legionen erlag,
    Und wir sind Deutsche geblieben!
    Wir blieben deutsch, wir sprechen deutsch,
    Wie wir es gesprochen haben;
    Der Esel heißt Esel, nicht asinus,
    Die Schwaben blieben Schwaben.
    Der Raumer blieb ein deutscher Lump
    In unserm deutschen Norden.
    In Reimen dichtet Freiligrath,
    Ist kein Horaz geworden.
    Gottlob, der Maßmann spricht kein Latein,
    Birch-Pfeiffer schreibt nur Dramen,
    Und säuft nicht schnöden Terpentin
    Wie Roms galante Damen.
    O Hermann, dir verdanken wir das!
    Drum wird dir, wie sich gebühret,
    Zu Detmold ein Monument gesetzt;
    Hab selber subskribieret.
    Caput XII
    Im nächtlichen Walde humpelt dahin
    Die Chaise. Da kracht es plötzlich –
    Ein Rad ging los. Wir halten still.
    Das ist nicht sehr ergötzlich.
    Der Postillion steigt ab und eilt
    Ins Dorf, und ich verweile
    Um Mitternacht allein im Wald.
    Ringsum ertönt ein Geheule.
    Das sind die Wölfe, die heulen so wild,
    Mit ausgehungerten Stimmen.
    Wie Lichter in der Dunkelheit
    Die feurigen Augen glimmen.
    Sie hörten von meiner Ankunft gewiß,
    Die Bestien, und mir zur Ehre
    Illuminierten sie den Wald
    Und singen sie ihre Chöre.
    Das ist ein Ständchen, ich merke es jetzt,
    Ich soll gefeiert werden!
    Ich warf mich gleich in Positur
    Und sprach mit gerührten Gebärden:
    »Mitwölfe! Ich bin glücklich, heut
    In eurer Mitte zu weilen,
    Wo soviel edle Gemüter mir
    Mit Liebe entgegenheulen.
    Was ich in diesem Augenblick
    Empfinde, ist unermeßlich;
    Ach, diese schöne Stunde bleibt
    Mir ewig unvergeßlich.
    Ich danke euch für das Vertraun,
    Womit ihr mich beehret
    Und das ihr in jeder Prüfungszeit
    Durch treue Beweise bewähret.
    Mitwölfe! Ihr zweifeltet nie an mir,
    Ihr ließet euch nicht fangen
    Von Schelmen, die euch gesagt, ich sei
    Zu den Hunden übergegangen,
    Ich sei abtrünnig und werde bald
    Hofrat in der Lämmerhürde –
    Dergleichen zu widersprechen war
    Ganz unter meiner Würde.
    Der Schafpelz, den ich umgehängt
    Zuweilen, um mich zu wärmen,
    Glaubt mir’s, er brachte mich nie dahin,
    Für das Glück der Schafe zu schwärmen.
    Ich bin kein Schaf, ich bin kein Hund,
    Kein Hofrat und kein Schellfisch –
    Ich bin ein Wolf geblieben, mein Herz
    Und meine Zähne sind wölfisch.
    Ich bin ein Wolf und werde stets
    Auch heulen mit den Wölfen

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