Sämtliche Werke
geräumig
Als wie die Kuppel der Sankt-Paulus-Kirche.
LESLEY
fühlt sich ironisch ängstlich den Kopf.
Du machst mich bang; o schweige lieber still!
RATCLIFF.
Glaub nicht, ich sei ein weicher Mondscheinheld,
Ein Bilderjäger, der vom eignen Windhund,
Von Phantasie durch Nacht und Höll’ gehetzt wird,
Ein magenkrank schwindsüchtelnder Poet,
Der mit den Sternen Unzucht treibt, der Leibschmerz
Vor Rührung kriegt, wenn Nachtigallen trillern,
Der sich aus Seufzern eine Leiter baut,
Und endlich mit dem Strick verschlungner Reime
Sich aufhängt an der Säule seines Ruhms.
LESLEY.
Das könnt ich selbst im Notfall wohl beschwören.
RATCLIFF.
Und doch gesteh ich – spaßhaft mag dir’s klingen –,
Es gibt entsetzlich seltsame Gewalten,
Die mich beherrschen; dunkle Mächte gibt’s,
Die meinen Willen lenken, die mich treiben
Zu jeder Tat, die meinen Arm regieren,
Und die schon in der Kindheit mich umschauert.
Als Knabe schon, wenn ich alleine spielte,
Gewahrt ich oft zwei neblichte Gestalten,
Die weit ausstreckten ihre Nebelarme,
Sehnsüchtig sich in Lieb’ umfangen wollten,
Und doch nicht konnten, und sich schmerzlich ansahn!
Wie luftig und verschwimmend sie auch schienen,
Bemerkt ich dennoch auf dem einen Antlitz
Die stolzverzerrten Züge eines Mannes,
Und auf dem andern milde Frauenschönheit.
Oft sah ich auch im Traum die beiden Bilder,
Und schaute dann noch deutlicher die Züge:
Mit Wehmut sah mich an der Nebelmann,
Mit Liebe sah mich an das Nebelweib. –
Doch als ich auf die hohe Schule kam,
Zu Edinburgh, sah ich die Bilder seltner,
Und in dem Strudel des Studentenlebens
Verschwammen meine bleichen Traumgesichte.
Da brachte mich auf einer Ferienreise
Zufall hierher und nach Mac-Gregors Schloß.
Maria sah ich dort! Mein Herz durchzuckte
Ein rascher Blitz bei ihrem ersten Anblick.
Es waren ja des Nebelweibes Züge,
Die schönen, stillen, liebefrommen Züge,
Die mich so oft im Traume angelächelt!
Nur war Mariens Wange nicht so bleich,
Nur war Mariens Auge nicht so starr.
Die Wange blühte und das Auge blitzte;
Der Himmel hatte allen Liebeszauber
Auf dieses holde Bild herabgegossen;
Die Hochgebenedeite selber war
Gewiß nicht schöner als die Namensschwester;
Und von der Liebe Sehnsuchtweh ergriffen,
Streckt ich die Arme aus, sie zu umfangen –
Pause.
Ich weiß nicht, wie es kam: im nahen Spiegel
Sah ich mich selbst – Ich war der Nebelmann,
Der nach dem Nebelweib die Arme ausgestreckt!
War’s eitel Traum? War’s Phantasientrug?
Maria sah mich an so mild, so freundlich,
So liebend, so verheißend! Aug’ in Auge
Und Seel’ in Seele tauchten wir. O Gott!
Das dunkle Urgeheimnis meines Lebens
War plötzlich mir erschlossen, und verständlich
War mir der Sang der Vögel, und die Sprache
Der Blumen, und der Liebesgruß der Sterne,
Der Hauch des Zephirs und des Baches Murmeln,
Und meiner eignen Brust geheimes Seufzen!
Wie Kinder jauchzten wir, und spielten wir.
Wir suchten uns, und fanden uns im Garten.
Sie gab mir Blumen, Myrten, Locken, Küsse;
Die Küsse gab ich doppelt ihr zurück.
Und endlich sank ich hin vor ihr aufs Knie,
Und bat: »O sprich, Maria, liebst du mich?«
Versinkt in Träumerei.
LESLEY.
Da hätt ich dich doch sehen mögen, Ratcliff,
Die starken Fäuste bittend fromm gefaltet,
Das funkelnd wilde Aug’ sehnsüchtig schmachtend,
Und zärtlich sanft die Stimm’, die auf der Landstraß’
Dem reichen Lord so schrecklich ins Gehör schallt.
RATCLIFF
wild ausbrechend.
Verfluchte Schlang’! Mit seltsam scheuen Blicken
Und Widerwillen fast sah sie mich an,
Und höhnisch knicksend sprach sie frostig: »Nein!«
Noch hör ich’s lachen unter mir: Nein! nein!
Noch hör ich’s seufzen über mir: Nein! nein!
Und klirrend schlagen zu des Himmels Pforte!
LESLEY.
Das war ja ganz infam und niederträchtig.
RATCLIFF.
Mac-Gregors Schloß verließ ich, und ich reiste
Von dort nach London; im Gewühl der Hauptstadt
Dacht ich des Herzens Qual zu übertäuben.
Ich war mein eigner Herr, denn meine Eltern
Verlor ich früh, noch eh’ ich sie gekannt hab.
Schlecht, schlecht gelang mir der Betäubungsplan.
Portwein, Champagner, alles wollt nicht fruchten;
Nach jedem Glase ward mein Herz betrübter.
Blondinen und Brünetten, keine konnt
Forttändeln und fortlächeln meinen Schmerz.
Sogar beim Pharo fand ich keine Ruh’.
Marias Aug’ schwamm auf dem grünen Tische;
Marias Hand bog mir die Parolis;
Und in dem Bild der
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