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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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    Und Duncan lag am Schwarzenstein erschlagen!
    DOUGLAS.
    Entsetzlich!
    MAC-GREGOR.
    »Auf! Steigt auf zu Roß!« rief ich
    Den Knechten, und wir jagten und wir suchten,
    In Busch und Feld, in Wäldern und in Klüften,
    Drei Tage lang, jedoch umsonst, wir fanden
    Die Spur des Mörders nirgends.
    Ach! und dennoch,
    Dieselbe Nacht von jenem Schreckenstag
    Schlich William Ratcliff in Mariens Kammer,
    Verhöhnte sie, und gab ihr zierlich grüßend
    Des Bräutigams Verlobungsring zurück.
    DOUGLAS.
    Bei Gott! der Mensch ist kühn! den möcht ich treffen.
    MAC-GREGOR.
    Er war’s gewiß, den Ihr schon habt getroffen
    Im Wald bei Invernes. Nur wundr’ ich mich,
    Daß keiner meiner Späher ihn gesehn; –
    Denn, Graf, ich hab dafür gesorgt, daß ich
    Nicht Euren Namen auch zu setzen brauche –
    Auf das Gedächtniskreuz am Schwarzenstein.
    Er geht ab.
    DOUGLAS
allein.
    Aus Klugheit hat’s Mac-Gregor mir verschwiegen
    Bis nach der Trauung. Oh, das ist ein Fuchs!
    Doch messen möcht ich mich mit jenem Trotzkopf,
    Der finster grollend stets Marien ängstigt.
    Mir soll er nicht den Ring vom Finger ziehen,
    Denn wo mein Finger ist, ist auch die Hand.
    Ich liebe nicht Marien, und ich bin
    Auch nicht geliebt von ihr. Die Konvenienz
    Hat unsern heut’gen Ehebund geschlossen.
    Doch herzlich gut bin ich dem sanften Mädchen.
    Ich möcht von Dornen ihre Pfade säubern –
    Lesley, im Mantel gehüllt und sich vorsichtig umsehend, tritt herein.
    Douglas. Lesley.
    LESLEY.
    Seid Ihr Graf Douglas?
    DOUGLAS.
    Ja, ich bin’s, was wollt Ihr?
    LESLEY
er gibt ihm einen Brief.
    So ist an Euch dies niedliche Billett.
    DOUGLAS
er hat den Brief gelesen.
    Ja, ja! Sagt ihm, ich komm. Am Schwarzenstein!
    Beide gehn ab.
Diebesherberge

    Im Hintergrunde liegen schlafende Menschen. Ein Heiligenbild hängt an der Wand. Die Wanduhr pickt. Abenddämmerung. William Ratcliff sitzt brütend in einer Ecke des Zimmers. In der andern Ecke sitzt Tom, der Wirt, und hält sein Söhnchen Willie zwischen den Knien.
    TOM
leise.
    Willie, kannst du das Vaterunser sagen?
    WILLIE
lachend und laut.
    Wie’n Donnerwetter.
    TOM.
    Sprich nur nicht so laut,
    Du weckst mir ja die müden Leute auf.
    WILLIE.
    Nun, soll’s jetzt losgehn?
    TOM.
    Ja, doch nicht zu rasch.
    WILLIE
schnell.
    »Vater unser im Himmel, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel. Gib uns unser täglich Brot immerdar. Und vergib uns unsre Sünden; denn auch wir vergeben allen, die uns schuldig sind. Und führe uns nicht –
Stottert. –
führe uns nicht – führe uns nicht –«
    TOM.
    Siehst du? du stotterst. »Führe uns nicht in Versuchung«; Fang wieder an von vorn.
    WILLIE
sieht immer nach William Ratcliff und spricht ängstlich und unsicher.
    »Vater unser im Himmel, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel. Gib uns unser täglich Brot immerdar. Und vergib uns unsre Sünden; denn auch wir vergeben allen, die uns schuldig sind. Und führe uns nicht –
Stottert. –
führe uns nicht – führe uns nicht –«
    TOM
ärgerlich.
    »In Versuchung!«
    WILLIE
weinend.
    Lieber Vater, sonst ging mir’s
    Vom Maul wie Wasser. Aber der dort sitzt –
    Er zeigt auf William Ratcliff.
    Der sieht mich immer an mit schlimmen Augen.
    TOM.
    Heut abend, Willie, kriegst du keine Fische, – –
    Drohend.
    Und stiehlst du sie mir wieder aus dem Kasten –
    WILLIE
weinend und im Vaterunsertone.
    »Führe uns nicht in Versuchung!«
    RATCLIFF.
    Laßt nur den Buben gehn. Auch ich hab nie
    Im Kopf behalten können diese Stelle. –
    Schmerzlich. –
    »Führe uns nicht in Versuchung!«
    TOM.
    Auch tät mir’s leid, wenn einst der Bube würde
    Wie Ihr und diese dort. –
    Zeigt nach den Schlafenden. –
    Jetzt geh nur, Willie.
    WILLIE
abgehend und weinerlich vor sich hinmurmelnd.
    »Führe uns nicht in Versuchung!«
    Die Vorigen ohne Willie.
    RATCLIFF
lächelnd.
    Wie meint Ihr das?
    TOM.
    Fromm, christlich soll er werden;
    Kein solcher Galgenstrick wie ich, sein Vater.
    RATCLIFF
spöttisch.
    Ihr seid so schlimm noch nicht.
    TOM.
    Jetzt freilich bin ich
    Ein zahmes Tier, und zapfe Bier, ein Wirt.
    Und weil mein Häuschen hübsch versteckt im Wald liegt,
    Beherberg ich nur große Herrn wie Ihr,
    Die gerne das Inkognito behaupten,
    Am Tage schlafen und des Abends ausgehn.
    Ich gebe Tagsquartier statt Nachtquartier.
    Ja, einst mondsüchtelte ich auch und schwärmte
    Macht eine Fingerbewegung.
    In fremde Häuser und in fremde

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