Sämtliche Werke
erprobt.
Vielleicht verdankte ich Euch jüngst das Leben.
Jetzt sollt Ihr’s mir verdanken. Wir sind quitt.
Ich denk, Ihr kennt mich jetzt, und die Lektion
Hat Euch vielleicht das böse Herz gebessert.
Er geht stolz ab.
Ratcliff liegt regungslos am Fuße des Monuments. Der Wind heult wilder. Die zwei Nebelgestalten erscheinen, nahen sich mit ausgestreckten Armen, fahren wieder auseinander und verschwinden.
RATCLIFF
er steht langsam und betäubt auf.
War’s eine Menschenstimme? War’s der Wind?
Ein wahnsinnschwangres Wort summt mir im Ohr.
War es ein toller Traum? Wo bin ich denn?
Was ist das für ein Kreuz, und was steht drauf?
Er liest die Inschrift des Monuments.
»Graf Duncan und Lord Macdonald sind hier
Von gottverfluchter Hand ermordet worden.«
Auffahrend.
Es ist kein Traum. Ich bin am Schwarzenstein,
Und bin besiegt, verspottet und verachtet!
Boshafte Winde kichern mir ins Ohr:
»Hier steht der Mann, der starke Riesengeist,
Der Großbritanniens Menschen und Gesetze
Verhöhnt, der trotzig mit dem Himmel rechtet –
Nun kann er’s nicht verhindern, daß Graf Douglas
Heut nacht in seines Liebchens Armen liegt,
Und lachend ihr erzählet, wie der Wurm,
Der William Ratcliff heißt, am Schwarzenstein
Sich krümmte, jämmerlich am Boden krümmte,
Und wie des Douglas Fuß ihn nicht zertreten,
Um sich nicht zu besudeln« –
In Wut ausbrechend. –
Oh, verfluchte,
Verdammte Hexen, lacht nicht so entsetzlich,
Reibt nicht verhöhnend eure Zeigefinger!
Ich werfe Felsen auf eu’r scheußlich Haupt,
Ich reiße Schottlands Tannenwälder aus,
Und geißle euch damit den gelben Rücken,
Und mit dem Fuß stampf ich das schwarze Gift
Aus euren dürren, gottverhaßten Leibern!
Nordwind, zerzause und zerreiß die Welt!
Brich, Himmelsdecke, und zermalme mich!
Erde, vernachte und verschlinge mich!
Halb wild, halb ängstlich, und in einen geheimnisvollen Ton übergehend.
Verdammter Doppelgänger, Nebelmensch,
Anglotze mich nicht mit den stieren Augen –
Mit deinen Augen saugst du aus mein Blut,
Erstarren machst du mich, Eiswasser gießt du
In meine glühnden Adern, machst mich selbst
Zum toten Nachtgespenst – du zeigst dorthin?
Mit langem Nebelarm zeigst du dorthin?
Soll ich? Marie? Die weiße Taube? Blut?
Soll ich? Holla, wer spricht? Das war kein Wind.
Maria soll ich mit mir nehmen? Nickst du?
Es sei, es sei, mein Wille ist von Eisen,
Und ist allmächt’ger noch als Gott und Teufel.
Er stürzt fort.
Mac-Gregors Schloß
Erleuchtetes Zimmer mit einem verhängten Kabinette in der Mitte. Man hört verhallende Tanzmusik und Mädchengekicher. Maria, festlich geschmückt, und Margarete treten eben herein.
MARIA.
Ach Gott! mir ist so ängstlich –
MARGARETE.
’s tut der Schnürleib.
Komm her, ich will dich ausziehn, liebes Püppchen.
Sie hilft Marien beim Auskleiden.
MARIA.
Das Herz ist mir beklommen.
MARGARETE.
Ei, mein Püppchen,
Graf Douglas ist ein hübscher Mann.
MARIA
heiter lachend.
Das ist er!
Und lustig, und verträglich, und ein Mann!
MARGARETE.
Ist Püppchen auch verliebt?
MARIA.
Verliebt? verliebt?
Oh, das ist dumm. Man muß sich leiden können.
MARGARETE.
Man sprach nicht immer so. Als William Ratcliff –
MARIA
hält ihr ängstlich den Mund zu.
Oh, bitte, bitte, bitte, sprich nicht aus
Den bösen Namen, es ist Nacht und spät –
MARGARETE.
Mein Püppchen war verliebt.
MARIA.
Ach nein! Im Anfang,
Da schien er lämmchensanft, und sein Gesicht,
Das schien mir so bekannt, und seine Stimme
Klang mir so weich, und auch sein Odem
Tat meiner Wange heimlich wohl, sein Auge,
Das schaute gar zu spaßhaft lieb und fromm –
Zusammenschauernd.
Doch plötzlich sah er aus wie ein Gespenst,
So blaß, so starr und wild verzerrt und blutig,
Und drohend grimm, als wollt er mich ermorden –
Er sah fast ähnlich jenem Nebelmann,
Der oft im Traum die Arme nach mir ausstreckt,
Und mich so lang entsetzlich zärtlich anschaut,
Bis daß ich selbst ein luft’ges Bildnis werde,
Und neblicht selbst ausbreite meine Arme.
MARGARETE.
Du bist doch just wie deine sel’ge Mutter;
Sie tat so bös, und doch wie eine Katz’
War sie verliebt in Ratcliff –
MARIA.
Wie, in Ratcliff?
MARGARETE.
In Edward Ratcliff, William Ratcliffs Vater –
Oh, deine Mutter war so hübsch, so hübsch!
Sie hieß Schön-Betty. Locken hatte sie
Wie pures Gold, und Händ’ wie Marmelstein,
Und Augen – Oh, die kannte Edward Ratcliff!
Der sah den ganzen Tag
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