Sämtliche Werke
eckigen Cœur-Dame
Sah ich Marias himmelschöne Züge!
Maria war’s, kein dünnes Kartenblatt;
Maria war’s, ich fühlte ihren Atem;
Sie winkte: ja! sie nickte: ja! – va banque! –
Zum Teufel war mein Geld, die Liebe blieb.
LESLEY
lacht.
Ha! ha! da zogst du aus dem Stall dein Rößlein,
Schwangst dich hinauf, wie’s Schottlands Rittern ziemt,
Und wie die Ahnen lebtest du vom Stegreif.
Die Liebe ist dir jetzt gewiß vergangen;
Man wird schon nüchtern, wenn man oft des Nachts
Durch Wind und Wetter reitet, und beim Galgen
Vorbeikömmt, und dort gute Freunde sieht,
Die pendulartig mit den Beinen grüßen.
RATCLIFF.
Öl kam ins Feuer. Wilder nur entbrannte
In mir die wilde Sehnsucht nach Marien.
In England ward’s mir oft zu eng; nach Schottland
Zog’s mich mit unsichtbaren Eisenarmen.
Nur in Mariens Nähe schlaf ich ruhig,
Und atm’ ich frei, und ist mir nicht so ängstlich,
Und ist mir wohl – denn höre mein Geheimnis:
Geschworen hab ich bei dem Wort des Herrn,
Und bei der Macht des Himmels und der Hölle,
Und hab mit grausem Fluch den Schwur besiegelt –
»Von dieser Hand soll fallen der Vermeßne,
Der’s wagt, Marien bräutlich zu umfangen.«
Die Stimm’ in meiner Brust sprach diesen Schwur,
Und blindlings dien ich jener dunklen Macht,
Die mit mir kämpft, wenn ich Mariens Freiern
Am Schwarzenstein ein Rosenbett bereite.
LESLEY.
Jetzt erst versteh ich dich; doch bill’g ich nichts.
RATCLIFF.
Bill’g ich’s denn selbst? Nur jene Stimme hier,
Die fremde Stimm’, die sich hier eingenistet,
Sagt: ja; nur jene Bilder nicken Beifall,
Die ich im Traume seh –
Aufschreiend. –
Jesus Maria!
Dort! dort! siehst du? dort, dort! Die Nebelmenschen!
Es ist dunkel geworden. Man sieht zwei neblichte Gestalten über die Bühne schwanken und verschwinden. – Die im Hintergrunde liegenden
Räuber und Gauner, durch Ratcliffs Schrei aus dem Schlafe geweckt, springen auf mit dem Ausrufe.
Was gibt’s? Was gibt’s?
LESLEY.
Bist du des Teufels, Ratcliff?
Ich sehe nichts.
MEHRERE.
Was sieht er? Sieht er Häscher?
LESLEY.
Nein! just das Gegenteil, denn Geister sieht er.
Alle lachen.
ROBIN
verdrießlich.
God damn! Man hat auch keine Ruh’ am Tag.
RATCLIFF.
Es dunkelt; ich will gehn.
LESLEY.
Ich gehe mit.
RATCLIFF.
Das leid ich nicht.
LESLEY.
Nur bis zum Schwarzenstein;
Vielleicht stehn Wachen dort.
RATCLIFF.
Die Angst treibt sie
Schon weg; dort ist es nicht geheu’r des Nachts.
LESLEY.
Lebt wohl, ihr Herrn!
RATCLIFF.
Lebt wohl!
ALLE.
Gott segne euch!
Ratcliff und Lesley gehn ab.
Die Vorigen ohne Ratcliff und Lesley.
ROBIN.
God damn! der ist besoffen oder toll.
DICK.
So war er immer, denn ich kenn ihn noch
Von London her. In Rascal-Tavern hab ich
Ihn oft gesehn. Er pflegte stundenlang
Mit krauser Stirn zu sitzen in der Ecke
Und immer still und stumm ins Licht zu starr’n.
Oft saß er zwischen uns vergnügt und lachend –
Nur lacht’ er gar zu hell – erzählte Späße –
Nur gar zu wilde Späße – und er war
Vergnügt und lachte – Oh, da zuckte plötzlich
Und gräßlich spöttisch seine Oberlippe,
Ein Ton des Schmerzes pfiff aus seiner Brust,
Und wütend sprang er auf: »Johann, mein Pferd!« –
Und ritt zum Teufel, und er kam nach ein’gen
Monaten erst zurück. Nach Schottland, sagt man,
Pflegt er alsdann zu reiten, Tag und Nacht.
ROBIN.
Oh, der ist krank.
DICK.
Was kümmert’s mich? Lebt wohl.
Geht ab.
BILL.
Es ist schon Zeit, daß man zur Arbeit geht.
Betend vor dem Heiligenbilde.
Beschütz mich in Gefahr und gib mir Segen!
Er und mehrere gehn ab.
ROBIN
hält sich seine Faust vorm Gesicht.
Mein Schutzpatron, beschütz mich in Gefahr.
Geht ab.
Zwei Gauner bleiben schlafend liegen. Tom, der Wirt, schleicht herein und stiehlt ihnen das Geld aus der Tasche.
TOM
mit schlauer Miene.
Sie dürfen mich nicht vor Gericht verklagen.
Er geht ab.
John und Taddie wachen auf.
JOHN
gähnend.
Der Schlaf ist doch die köstlichste Erfindung!
TADDIE
gähnend.
Komm, John, zum Frühstück.
JOHN.
Frühstück! Was gibt’s Neues?
TADDIE.
Gewiß hat man Freund Riffel heut gehängt.
JOHN.
Das Hängen ist die schlechteste Erfindung.
Trollen beide fort.
Wilde Gegend am Schwarzenstein. Nacht
Links abenteuerliche Felsenmassen und Baumstämme. Rechts ein Denkmal in der Form eines Kreuzes. Der Wind braust. Man sieht zwei weiße Nebelgestalten, die sehnsüchtig die Arme gegeneinander ausstrecken, sich nahen, immer
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