Sämtliche Werke
Liebhaber von Fleisch, und er denkt, je mehr Fleisch, desto größer die Sünde. Ja, in seinem Raffinement der Frevelhaftigkeit sucht er die Sünde noch dadurch zu steigern, daß er nie eine unverheuratete Person, sondern immer eine Vermählte zu seiner Oberbraut wählt, den Ehebruch kumulierend mit der einfachen Unzucht. Auch eine gute Tänzerin muß sie sein, und bei einer außerordentlichen Sabbatfeier sah man wohl den erlauchten Bock von seinem Postamente herabsteigen und höchstselbst, mit seiner nackten Schönen, einen sonderbaren Tanz aufführen, den ich nicht beschreiben will, »aus hochbedenklichen christlichen Ursachen«, wie der alte Widmann sagen würde. Nur soviel darf ich andeuten, daß es ein alter Nationaltanz Sodomas ist, dessen Traditionen, nachdem diese Stadt unterging, von den Töchtern Lots gerettet wurden und sich bis auf heutigen Tag erhalten haben, wie ich denn selber jenen Tanz sehr oft tanzen sah zu Paris, Rue Saint-Honoré No. 359, neben der Kirche der heiligen Assomption. Erwägt man nun, daß es auf dem Tanzplatz der Hexen keine bewaffnete Moral gibt, die in der Uniform von Munizipalgardisten die bacchantische Lust zu hemmen weiß, so läßt sich leicht erraten, welche Bocksprünge bei oberwähntem Pas de deux zum Vorschein kommen mochten.
Nach manchen Aussagen pflegt auch der große Bock und seine Oberbraut dem Bankette zu präsidieren, welches nach dem Tanze gehalten wird. Das Tafelgeschirr und die Speisen bei jenem Gastmahl sind von außerordentlicher Kostbarkeit und Köstlichkeit; doch wer etwas davon einsteckt, findet den andern Tag, daß der goldne Becher nur ein irdenes Töpfchen und der schöne Kuchen nur ein Mistfladen war. Charakteristisch bei dem Mahle ist der gänzliche Mangel an Salz. Die Lieder, welche die Gäste singen, sind eitel Gotteslästerungen, und sie plärren sie nach der Melodie frommer Kantiken. Die ehrwürdigsten Zeremonien der Religion werden dann durch schändliche Possenreißerei nachgeäfft. So wird z.B. unsere heilige Taufe verhöhnt, indem man Kröten, Igel oder Ratten tauft, ganz nach dem Ritus der Kirche, und während dieser scheußlichen Handlung gebärden sich Pate und Patin wie devote Christen und schneiden die scheinheiligsten Gesichter. Das Weihwasser, womit sie jene Taufe verrichten, ist eine sehr frevelhafte Flüssigkeit, nämlich der Urin des Teufels. Auch das Zeichen des Kreuzes machen die Hexen, aber ganz verkehrt und mit der linken Hand; die von der romanischen Zunge sprechen dabei die Worte: »In nomine patrica aragueaco petrica, agora, agora, valentia, jouando goure gaits goustia«, welches soviel heißt wie: »Im Namen des Patrike, des Petrike, von Aragonien, zu dieser Stunde, zu dieser Stunde, Valencia, all unser Elend ist vorbei!« Zur Verhöhnung der göttlichen Lehre von der Liebe und Vergebung erhebt der höllische Bock zuletzt seine furchtbarste Donnerstimme und ruft: »Rächt euch, rächt euch, sonst müßt ihr sterben!« Dieses sind die sakramentalen Worte, womit er den Hexenkonvent aufhebt, und um den erhabensten Akt der Passion zu parodieren, will auch der Antichrist sich selbst zum Opfer bringen, aber nicht zum Heil, sondern zum Unheil der Menschheit: der Bock verbrennt sich endlich selbst, er lodert auf mit großem Flammengeprassel, und von seiner Asche sucht jede Hexe eine Handvoll zu erhaschen, um sie zu späteren Malefizien zu gebrauchen. Der Ball und der Schmaus sind alsdann zu Ende, der Hahn kräht, die Damen fangen an sehr zu frieren, und wie sie gekommen, so fahren sie von dannen, aber noch schneller, und manche Frau Hexe legt sich wieder zu Bette zu ihrem schnarchenden Gemahle, der es nicht bemerkt hatte, daß nur ein Scheit Holz, welches die Gestalt seiner Ehehälfte angenommen, in ihrer Abwesenheit an seiner Seite lag.
Auch ich will mich jetzt zu Bette begeben, denn ich habe, teurer Freund, bis tief in die Nacht hinein geschrieben, um die Notizen zusammenzustellen, die Sie aufgezeichnet zu sehen wünschten. Ich habe weniger dabei an einen Theaterdirektor gedacht, der mein Ballett auf die Bühne bringen soll, als vielmehr an den Gentleman von hoher Bildung, den alles interessiert, was Kunst und Gedanken ist. Ja, mein Freund, Sie verstehen den flüchtigsten Wink des Dichters, und jedes Wort von Ihnen ist wieder befruchtend für diesen. Es ist mir unbegreiflich, wie Sie, der erprobt praktische Geschäftsmann, doch zugleich mit jenem außerordentlichen Sinn für das Schöne begabt sein konnten, und noch mehr erstaune ich
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