Sämtliche Werke
darüber, wie Sie unter allen Tribulationen Ihrer Berufstätigkeit sich soviel Liebe und Begeisterung für Poesie zu erhalten wußten!
Briefe aus Berlin
Erstdruck 1822.
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Erster Brief
Zweiter Brief
Dritter Brief
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Seltsam! – wenn ich der Dei von Tunis wäre,
Schlüg ich, bei so zweideut’gem Vorfall, Lärm.
Kleists »Prinz von Homburg«
Erster Brief
Berlin, den 26. Januar 1822
Ihr sehr lieber Brief vom 5. d. M. hat mich mit der größten Freude erfüllt, da sich darin Ihr Wohlwollen gegen mich am unverkennbarsten aussprach. Es erquickt mir die Seele, wenn ich erfahre, daß so viele gute und wackere Menschen mit Interesse und Liebe meiner gedenken.
Glauben Sie nur nicht, daß ich unseres Westfalens so bald vergessen hätte. Der September 1821 schwebt mir noch zu sehr im Gedächtnis. Die schönen Täler um Hagen, der freundliche Overweg in Unna, die angenehmen Tage in Hamm, der herrliche Fritz v. B., Sie, W., die Altertümer in Soest, selbst die Paderborner Heide, alles steht noch lebendig vor mir. Ich höre noch immer, wie die alten Eichenwälder mich umrauschen, wie jedes Blatt mir zuflüstert: »Hier wohnten die alten Sachsen, die am spätesten Glauben und Germanentum einbüßten.« Ich höre noch immer, wie ein uralter Stein mir zuruft: »Wandrer, steh, hier hat Armin den Varus geschlagen!« – Man muß zu Fuß, und zwar, wie ich, in östreichischen Landwehrtagemärschen Westfalen durchwandern, wenn man den kräftigen Ernst, die biedere Ehrlichkeit und anspruchslose Tüchtigkeit seiner Bewohner kennenlernen will. – Es wird mir gewiß recht viel Vergnügen machen, wenn ich, wie Sie mir schreiben, durch Mitteilungen aus der Residenz mir so viele liebe Menschen verpflichte. Ich habe mir gleich bei Empfang Ihres Briefes Papier und Feder zurechtgelegt und bin schon jetzt – am Schreiben.
An Notizen fehlt es nicht, und es ist nur die Aufgabe: Was soll ich
nicht
schreiben? d.h., was weiß das Publikum schon längst, was ist demselben ganz gleichgültig und was darf es nicht wissen? Und dann ist die Aufgabe: Vielerlei zu schreiben sowenig als möglich vom Theater und solchen Gegenständen, die in der »Abendzeitung«, im »Morgenblatte«, im »Wiener Konversationsblatte« usw. die gewöhnlichen Hebel der Korrespondenz sind und dort ihre ausführliche und systematische Darstellung finden. Den einen interessiert’s, wenn ich erzähle, daß Jagor die Zahl genialer Erfindungen kürzlich durch sein Trüffeleis vermehrt hat; den andern interessiert die Nachricht, daß Spontini beim letzten Ordensfest Rock und Hosen trug von grünem Sammet mit goldenen Sternchen. Nur verlangen Sie von mir keine Systematie; das ist der Würgengel aller Korrespondenz. Ich spreche heute von den Redouten und den Kirchen, morgen von Savigny und den Possenreißern, die in seltsamen Aufzügen durch die Stadt ziehen, übermorgen von der Giustinianischen Galerie und dann wieder von Savigny und den Possenreißern. Assoziation der Ideen soll immer vorwalten. Alle vier oder sechs Wochen soll ein Brief folgen. Die zwei ersten werden unverhältnismäßig lang werden, da ich doch vorher das äußere und das innere Leben Berlins andeuten muß. Nur andeuten, nicht ausmalen. Aber womit fange ich an bei dieser Masse von Materialien? Hier hilft eine französische Regel: Commencez par le commencement.
Ich fange also mit der Stadt an und denke mir, ich sei wieder soeben an der Post auf der Königstraße abgestiegen und lasse mir den leichten Koffer nach dem »Schwarzen Adler« auf der Poststraße tragen. Ich sehe Sie schon fragen: »Warum ist denn die Post nicht auf der Poststraße und der ›Schwarze Adler‹ auf der Königstraße?« Ein andermal beantworte ich diese Frage; aber jetzt will ich durch die Stadt laufen, und ich bitte Sie, mir Gesellschaft zu leisten. Folgen Sie mir nur ein paar Schritte, und wir sind schon auf einem sehr interessanten Platze. Wir stehen auf der Langen Brücke. Sie wundern sich: »Die ist aber nicht sehr lang?« Es ist Ironie, mein Lieber. Laßt uns hier einen Augenblick stehenbleiben und die große Statue des Großen Kurfürsten betrachten. Er sitzt stolz zu Pferde, und gefesselte Sklaven umgeben das Fußgestell. Es ist ein herrlicher Metallguß und unstreitig das größte Kunstwerk Berlins. Und ist ganz umsonst zu sehen, weil es mitten auf der Brücke steht. Es hat die meiste Ähnlichkeit mit der Statue des Kurfürsten Johann Wilhelm auf dem Markte zu Düsseldorf, nur daß hier in Berlin der Schwanz des Pferdes
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