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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Tatsache, die ich mit Stellen aus dem Leben des Christoph Wagner, welcher Fausts Schüler war, beweisen kann. In dem sechzehnten Kapitel dieses alten Buches lesen wir, daß der arge Sünder ein Gastgelag in Wien gab, wo die Teufel, in Frauenzimmergestalt, mit Saitenspielen die schönste und lieblichste Musik machten und andre Teufel »allerlei seltsame und unzüchtige Tänze tanzten«. Auch in Affengestalt tanzten sie bei dieser Gelegenheit, und da heißt es: »Bald kamen zwölf Affen, die machten einen Reigen, tanzten französische Ballette, wie jetzt die Leute in Welschland, Frankreich und Deutschland zu tun pflegen, sprungen und hüpften sehr wohl, daß sich männiglich verwunderte.« Der Teufel Auerhahn, der dem Wagner als dienender Geist angehörte, zeigte sich gewöhnlich in der Gestalt eines Affen. Er debütiert ganz eigentlich als Tanzaffe. Als Wagner ihn beschwur, ward er ein Affe, erzählt das alte Buch, und da heißt es: »Der sprang auf und nieder, tanzte Gaillarde und andere üppige Tänze, schlug bisweilen auf dem Hackebrett, pfiff auf der Querpfeife, blies auf der Trompete, als wären ihrer hundert.«
    Ich kann hier, liebster Freund, der Versuchung nicht widerstehen, Ihnen zu erklären, was der Biograph des Nekromanten unter dem Namen »Gaillarde tanzen« versteht. Ich finde nämlich in einem noch ältern Buche von Johann Prätorius, welches 1668 zu Leipzig gedruckt ist und Nachrichten über den Blocksberg enthält, die merkwürdige Belehrung, daß oberwähnter Tanz vom Teufel erfunden worden; der ehrbare Autor sagt dabei ausdrücklich:
    »Von der neuen gaillardischen Volta, einem welschen Tanze, wo man einander an schamigen Orten fasset und wie ein getriebener Topf herumhaspelt und wirbelt und welcher durch die Zauberer aus Italien nach Frankreich ist gebracht worden, mag man auch wohl sagen, daß zu dem, daß solcher Wirbeltanz voller schändlicher unflätiger Gebärden und unzüchtiger Bewegungen ist, er auch das Unglück auf sich trage, daß unzählig viel Morde und Mißgeburten daraus entstehen. Welches wahrlich bei einer wohlbestellten Polizei ist wahrzunehmen und aufs allerschärfste zu verbieten. Und dieweil die Stadt Genf fürnehmlich das Tanzen hasset, so hat der Satan eine junge Tochter von Genf gelehret, alle die tanzend und springend zu machen, die sie mit einer eisernen Gerte oder Rute, welche der Teufel ihr gegeben gehabt, möchte berühren. Auch hat sie der Richter gespottet und gesagt, sie werden sie nicht mögen umbringen; hat deshalb der Übeltat nie keine Reue gehabt.«
    Sie sehen aus dieser Zitation, liebster Freund, erstens, was die Gaillarde ist, und zweitens, daß der Teufel die Tanzkunst aus dem Grunde fördert, um den Frommen ein Ärgernis zu geben. Daß er gar die fromme Stadt Genf, das kalvinistische Jerusalem, mit seiner Zaubergerte zum Tanzen zwang, das war der Gipfel der Frevelhaftigkeit! Denken Sie sich alle diese kleinen Genfer Heiligen, alle diese gottesfürchtigen Uhrmacher, alle diese Auserwählten des Herren, alle diese tugendhaften Erzieherinnen, diese steifen, eckigen Prediger- und Schulmeisterfiguren, welche auf einmal die Gaillarde zu tanzen beginnen! Die Geschichte muß wahr sein, denn ich erinnere mich, sie auch in der »Daemonomania« des Bodinus gelesen zu haben, und ich hätte nicht übel Lust, sie zu einem Ballette zu bearbeiten, betitelt: »Das tanzende Genf«!
    Der Teufel ist ein großer Tanzkünstler, wie Sie sehen, und es darf wahrlich niemanden wundern, wenn er in der Gestalt einer Tänzerin sich einem verehrungswerten Publiko präsentiert. Eine minder natürliche, aber sehr tiefsinnige Metamorphose ist es, daß sich, im älteren Faustbuche, der Mephistopheles in ein geflügeltes Roß verwandelt und auf seinem Rücken den Faust nach allen Ländern und Orten brachte, wohin dessen Sinn oder Sinnlichkeit begehrte. Der Geist hat hier nicht bloß die Geschwindigkeit des Gedankens, sondern auch die Macht der Poesie; er ist hier ganz eigentlich der Pegasus, der den Faust zu allen Herrlichkeiten und Genüssen dieser Erde hinträgt, in der kürzesten Frist. Er bringt ihn im Nu nach Konstantinopel, und zwar direkt in den Harem des Großtürken, wo Faust unter den erstaunten Odalisken, die ihn für den Gott Mahomet hielten, sich göttlich ergötzt. Auch trägt er ihn nach Rom und hier direkt in den Vatikan, wo Faust, unsichtbar allen Augen, dem Papste seine besten Gerichte und Getränke vor der Nase wegstibitzt und sich selber zu Gemüte führt; manchmal lacht

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