Sämtliche Werke
er laut auf, so daß der Papst, der sich im Zimmer allein glaubte, innerlich erschrak. Eine Animosität gegen Papsttum und katholische Kirche überhaupt tritt überall grell hervor in der Faustsage. In dieser Beziehung ist es auch charakteristisch, daß Faust, nach den ersten Beschwörungen, dem Mephistopheles ausdrücklich befiehlt, ihm hinfüro, wenn er ihn rufe, in der Kutte eines Franziskaners zu erscheinen. In dieser Mönchstracht zeigen ihn uns die alten Volksbücher (nicht die Puppenspiele), zumal, wenn er mit Faust über Religionsthemata disputiert. Hier weht der Atem der Reformationszeit.
Mephistopheles hat nicht bloß keine wirkliche Gestalt, sondern er ist auch unter keiner bestimmten Gestalt populär geworden wie andere Helden der Volksbücher, z.B. wie Till Eulenspiegel, dieses personifizierte Gelächter, in der derben Figur eines deutschen Handwerksburschen oder gar wie der Ewige Jude mit dem langen achtzehnhundertjährigen Barte, dessen weiße Haare an der Spitze wie verjüngt wieder schwarz geworden. Mephistopheles hat auch in den Büchern der Magie keine determinierte Bildung wie andre Geister, wie z.B. Aziabel, der immer als ein kleines Kind erscheint, oder wie der Teufel Marbuel, der sich ausdrücklich in der Gestalt eines zehnjährigen Knaben präsentiert.
Ich kann nicht umhin, hier die Bemerkung einfließen zu lassen, daß ich es ganz dem Belieben Ihres Maschinisten überlasse, ob er den Faust nebst seinem höllischen Gesellen auf zwei Pferden oder beide in einen großen Zaubermantel gehüllt durch die Lüfte reisen lassen will. Der Zaubermantel ist volkstümlicher.
Die Hexen, die zum Sabbat fahren, müssen wir jedoch reiten lassen, gleichviel auf welchem Haushaltungsgeräte oder Untier. Die deutsche Hexe bedient sich gewöhnlich des Besenstiels, den sie mit derselben Zaubersalbe bestreicht, womit sie auch ihren eigenen nackten Leib vorher eingerieben hat. Kommt ihr höllischer Galan etwa in Person sie abzuholen, so sitzt er vorne und sie hinter ihm bei der Luftfahrt. Die französischen Hexen sagen: »Emen-Hetan, Emen-Hetan!«, während sie sich einsalben. »Oben hinaus und nirgends an!« ist der Spruch der deutschen Besenreuterinnen, wenn sie zum Schornstein hinausfliegen. Sie wissen es so einzurichten, daß sie sich in den Lüften begegnen und rottenweis zum Sabbat anlangen. Da die Hexen, ebenso wie die Feen, das christliche Glockengeläute aus tiefstem Herzen hassen, so pflegen sie auch wohl auf ihrem Fluge, wenn sie einem Kirchturm vorbeikommen, die Glocke mitzunehmen und dann in irgendeinen Sumpf hinabzuwerfen, mit fürchterlichem Gelächter. Auch diese Anklage kommt vor in den Hexenprozessen, und das französische Sprüchwort sagt mit Recht, daß man nur gleich die Flucht ergreifen solle, wenn man angeklagt sei, eine Glocke vom Kirchturm Notre-Dame gestohlen zu haben.
Über den Schauplatz ihrer Versammlung, den die Hexen ihren Konvent, auch ihren Reichstag nennen, herrschen im Volksglauben sehr abweichende Ansichten. Doch nach übereinstimmenden Aussagen sehr vieler Hexen, die auf der Folter gewiß die Wahrheit bekannt, sowie auch nach den Autoritäten eines Remigius, eines Godelmanus, eines Wierus, eines Bodinus und gar eines de Lancre habe ich mich für eine mit Bäumen umpflanzte Bergkoppe entschieden, wie ich solches im dritten Akte meines Ballettes vorgezeichnet. In Deutschland soll der Hexenkonvent gewöhnlich auf dem Blocksberge, welcher den Mittelpunkt des Harzgebirges bildet, stattgefunden haben oder noch stattfinden. Aber es sind nicht bloß deutsche Nationalhexen, welche sich dort versammeln, sondern auch viele ausländische, und nicht bloß lebende, sondern auch längst verstorbene Sünderinnen, die im Grabe keine Ruhe haben und, wie die Willis, auch nach dem Tode von üppiger Tanzlust gepeinigt werden. Deshalb sehen wir beim Sabbat eine Mischung von Trachten aus allen Ländern und Zeitaltern. Vornehme Damen erscheinen meistens verlarvt, um ganz ungeniert zu sein. Die Hexenmeister, die in großer Menge sich hier einfinden, sind oft Leute, die im gewöhnlichen Leben den ehrbarsten, christlichsten Wandel erheucheln. Was die Teufel anbelangt, die als Liebhaber der Hexen fungieren, so sind sie von sehr verschiedenem Range, so daß eine alte Köchin oder Kuhmagd sich mit einem sehr untergeordneten armen Teufel begnügen muß, während vornehmere Patrizierfrauen und große Damen auch standesgemäß sich mit sehr gebildeten und feingeschwänzten Teufeln, mit den galantesten Junkern
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