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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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und das Hündchen im Schoße halten könne, und daß man endlich in vierzehn Tagen zu Florenz eintreffen wolle, wo Signora Franscheska, die mit Mylady nach Pisa reise, unterdessen ebenfalls zurückgekehrt sein würde. Während der Marchese an den Fingern die Kosten berechnete, summte er vor sich hin: »Di tanti palpiti.« Signora schlug dazwischen die lautesten Triller, und der Professor stürmte in die Saiten der Gitarre und sang dabei so glühende Worte, daß ihm die Schweißtropfen von der Stirne und die Tränen aus den Augen liefen und sich auf seinem roten Gesichte zu einem einzigen Strome vereinigten. Während dieses Singens und Klingens ward plötzlich die Türe des Nebenzimmers aufgerissen, und herein sprang ein Wesen –
    Euch, ihr Musen der alten und der neuen Welt, euch sogar, ihr noch unentdeckten Musen, die erst ein späteres Geschlecht verehren wird und die ich schon längst geahnet habe, im Walde und auf dem Meere, euch beschwör ich, gebt mir Farben, womit ich das Wesen male, das nächst der Tugend das Herrlichste ist auf dieser Welt. Die Tugend, das versteht sich von selbst, ist die erste von allen Herrlichkeiten, der Weltschöpfer schmückte sie mit so vielen Reizen, daß es schien, als ob er nichts ebenso Herrliches mehr hervorbringen könne; da aber nahm er noch einmal alle seine Kräfte zusammen, und in einer guten Stunde schuf er Signora Franscheska, die schöne Tänzerin, das größte Meisterstück, das er nach Erschaffung der Tugend hervorgebracht und wobei er sich nicht im mindesten wiederholt hat, wie irdische Meister, bei deren späteren Werken die Reize der früheren wieder geborgterweise zum Vorschein kommen – Nein, Signora Franscheska ist ganz Original, sie hat nicht die mindeste Ähnlichkeit mit der Tugend, und es gibt Kenner, die sie für ebenso herrlich halten und der Tugend, die früher erschaffen worden, nur den Vorrang der Anciennität zuerkennen. Aber ist das ein großer Mangel, wenn eine Tänzerin einige sechstausend Jahre zu jung ist?
    Ach, ich sehe sie wieder, wie sie aus der aufgestoßenen Türe bis zur Mitte des Zimmers hervorspringt, in demselben Momente sich unzähligemal auf einem Fuße herumdreht, sich dann der Länge nach auf das Sofa hinwirft, sich die Augen mit beiden Händen verdeckt hält und atemlos ausruft: »Ach, ich bin so müde vom Schlafen!« Nun naht sich der Marchese und hält eine lange Rede, in seiner ironisch breit ehrerbietigen Manier, die mit seinem kurzabbrechenden Wesen, bei praktischen Geschäftserinnerungen, und mit seiner faden. Zerflossenheit, bei sentimentaler Anregung, gar rätselhaft kontrastierte. Dennoch war diese Manier nicht unnatürlich, sie hatte sich vielleicht dadurch natürlich in ihm ausgebildet, daß es ihm an Kühnheit fehlte, jene Obmacht, wozu er sich durch Geld und Geist berechtigt glaubte, unumwunden kundzugeben, weshalb er sie feigerweise in die Worte der übertriebensten Demut zu verkappen suchte. Sein breites Lächeln bei solchen Gelegenheiten hatte etwas unangenehm Ergötzliches, und man wußte nicht, ob man ihm Prügel oder Beifall zollen sollte. In solcher Weise hielt er seine Morgenrede vor Signora Franscheska, die, noch halb schläfrig, ihn kaum anhörte, und als er zum Schluß um die Erlaubnis bat, ihr die Füße, wenigstens den linken Fuß, küssen zu dürfen, und zu diesem Geschäfte mit großer Sorgfalt sein gelbseidnes Taschentuch über den Fußboden ausbreitete und darauf niederkniete, streckte sie ihm gleichgültig den linken Fuß entgegen, der in einem allerliebsten roten Schuh steckte, im Gegensatz zu dem rechten Fuße, der einen blauen Schuh trug, eine drollige Koketterie, wodurch die zarte niedliche Form der Füße noch bemerklicher werden sollte. Als der Marchese den kleinen Fuß ehrfurchtsvoll geküßt, erhob er sich mit einem ächzenden »O Jesu!« und bat um die Erlaubnis, mich, seinen Freund, vorstellen zu dürfen, welches ihm ebenfalls gähnend gewährt wurde und wobei er es nicht an Lobsprüchen auf meine Vortrefflichkeit fehlen ließ und auf Kavalierparole beteuerte, daß ich die unglückliche Liebe ganz vortrefflich besungen habe.
    Ich bat die Dame ebenfalls um die Vergünstigung, ihr den linken Fuß küssen zu dürfen, und in dem Momente, wo ich dieser Ehre teilhaftig wurde, erwachte sie wie aus einem dämmernden Traume, beugte sich lächelnd zu mir herab, betrachtete mich mit großen, verwunderten Augen, sprang freudig empor bis in die Mitte des Zimmers und drehte sich wieder unzähligemal auf

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