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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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beste Bier, Breihahn des Lebens, Gesöffe der Unsterblichkeit –
    Den kleinen Naturphilosophen überlief der gelbe Neid, als er hörte, daß seine Kollegen sich so großen Zuspruchs erfreuen, und ärgerlich frug er: »Welchen von beiden halten Sie für den größten?« – »Das kann ich nicht entscheiden«, gab ich zur Antwort, »ebensowenig wie ich entscheiden könnte, ob die Schechner größer sei als die Sontag, und ich denke –«
    »Denke!« rief der Eidechs mit einem scharfen, vornehmen Tone der tiefsten Geringschätzung, »denken! wer von euch denkt? Mein weiser Herr, schon an die dreitausend Jahre mache ich Untersuchungen über die geistigen Funktionen der Tiere, ich habe besonders Menschen, Affen und Schlangen zum Gegenstand meines Studiums gemacht, ich habe soviel Fleiß auf diese seltsamen Geschöpfe verwendet wie Lyonnet auf seine Weidenraupen, und als Resultat aller meiner Beobachtungen, Experimente und anatomischen Vergleichungen kann ich Ihnen bestimmt versichern: Kein Mensch denkt, es fällt nur dann und wann den Menschen etwas ein, solche ganz unverschuldete Einfälle nennen sie Gedanken, und das Aneinanderreihen derselben nennen sie Denken. Aber in meinem Namen können Sie es wiedersagen: Kein Mensch denkt, kein Philosoph denkt, weder Schelling noch Hegel denkt, und was gar ihre Philosophie betrifft, so ist sie eitel Luft und Wasser, wie die Wolken des Himmels, ich habe schon unzählige solcher Wolken, stolz und sicher, über mich hinziehen sehen, und die nächste Morgensonne hat sie aufgelöst in ihr ursprüngliches Nichts; – es gibt nur eine einzige wahre Philosophie, und diese steht, in ewigen Hieroglyphen, auf meinem eigenen Schwanze.«
    Bei diesen Worten, die mit einem dedaignanten Pathos gesprochen wurden, drehte mir der alte Eidechs den Rücken, und indem er langsam fortschwänzelte, sah ich darauf die wunderlichsten Charaktere, die sich in bunter Bedeutsamkeit bis über den ganzen Schwanz hinabzogen.
Kapitel III
    Auf dem Wege zwischen den Bädern von Lucca und der Stadt dieses Namens, unweit von dem großen Kastanienbaume, dessen wildgrüne Zweige den Bach überschatten, und in Gegenwart eines alten, weißbärtigen Ziegenbocks, der dort einsiedlerisch weidete, wurde das Gespräch geführt, das ich im vorigen Kapitel mitgeteilt habe. Ich ging nach der Stadt Lucca, um Franscheska und Mathilde zu suchen, die ich unserer Verabredung gemäß schon vor acht Tagen dort treffen sollte. Ich war aber, zur bestimmten Zeit, vergebens hingereist, und ich hatte mich jetzt zum zweiten Male auf den Weg gemacht. Ich ging zu Fuße, längs den schönen Bergen und Baumgruppen, wo die goldnen Orangen, wie Sterne des Tages, aus dem dunklen Grün hervorleuchteten und Girlanden von Weinreben, in festlichen Windungen, sich meilenweit hinzogen. Das ganze Land ist dort so gartenhaft und geschmückt wie bei uns die ländlichen Szenen, die auf dem Theater dargestellt werden; auch die Landleute selbst gleichen jenen bunten Gestalten, die uns dann als singende, lächelnde und tanzende Staffage ergötzen. Nirgends Philistergesichter. Und gibt es hier auch Philister, so sind es doch italienische Orangenphilister und keine plump deutschen Kartoffelphilister. Pittoresk und idealisch wie das Land sind auch die Leute, und dabei trägt jeder Mann einen so individuellen Ausdruck im Gesicht und weiß in Stellung, Faltenwurf des Mantels und nötigenfalls in Handhabung des Messers seine Persönlichkeit geltend zu machen. Dagegen bei uns zulande lauter Menschen mit allgemeinen, gleichförmlichen Physiognomien; wenn ihrer zwölf beisammen sind, bilden sie ein Dutzend, und wenn einer sie dann angreift, rufen sie die Polizei.
    Auffallend war mir, im Luccesischen, wie im größten Teile Toskanas, tragen die Frauenzimmer große, schwarze Filzhüte mit herabwallend schwarzen Straußfedern; sogar die Strohflechterinnen tragen dergleichen schwere Hauptbedeckung. Die Männer hingegen tragen meistens einen leichten Strohhut, und junge Burschen erhalten solchen zum Geschenk von einem Mädchen, das ihn selbst verfertigt, ihre Liebesgedanken und vielleicht auch manchen Seufzer hineingeflochten. So saß einst Franscheska unter den Mädchen und Blumen des Arnotals und flocht einen Hut, für ihren caro Cecco, und küßte jeden Strohhalm, den sie dazu nahm, und trillerte ihr hübsches »Occhie, stelle mortale«; – das lockichte Haupt, das den hübschen Hut nachher so hübsch trug, hat jetzt eine Tonsur, und der Hut selbst hängt, alt und

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