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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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einem Volke an, worin der Katholizismus erloschen ist. Denn, beiläufig gesagt, der Ausdruck der Charte, daß der Katholizismus die Religion der Mehrheit des Volkes sei, ist nur eine französische Galanterie gegen Notre-Dame de Paris, die ihrerseits wieder mit gleicher Höflichkeit die drei Farben der Freiheit auf dem Haupte trägt, eine Doppelheuchelei, wogegen die rohe Menge etwas unförmlich protestierte, als sie jüngst die Kirchen demolierte und die Heiligenbilder in der Seine schwimmen lehrte. Robert ist ein Franzose, und er, wie die meisten seiner Landsleute, huldigt unbewußt einer noch verhüllten Doktrin, die von einem Kampfe des Geistes mit der Materie nichts wissen will, die dem Menschen nicht die sichern irdischen Genüsse verbietet und dagegen desto mehr himmlische Freuden ins Blaue hinein verspricht, die den Menschen vielmehr schon auf dieser Erde beseligen möchte und die sinnliche Welt ebenso heilig achtet wie die geistige; »denn Gott ist alles, was da ist«. Roberts Schnitter sind daher nicht nur sündenlos, sondern sie kennen keine Sünde, ihr irdisches Tagwerk ist Andacht, sie beten beständig, ohne die Lippen zu bewegen, sie sind selig ohne Himmel, versöhnt ohne Opfer, rein ohne beständiges Abwaschen, ganz heilig. Daher, wenn auf katholischen Bildern nur die Köpfe, als der Sitz des Geistes, mit einem Heiligenschein umstrahlt sind und die Vergeistigung dadurch symbolisiert wird, so sehen wir dagegen auf dem Robertschen Bilde auch die Materie verheiligt, indem hier der ganze Mensch, der Leib ebensogut wie der Kopf, vom himmlischen Lichte, wie von einer Glorie, umflossen ist.
    Aber der Katholizismus ist im neuen Frankreich nicht bloß erloschen, sondern er hat hier auch nicht einmal einen rückwirkenden Einfluß auf die Kunst wie in unserm protestantischen Deutschland, wo er durch die Poesie, die jeder Vergangenheit inwohnt, eine neue Geltung gewonnen. Es ist vielleicht bei den Franzosen ein stiller Nachgrimm, der ihnen die katholischen Traditionen verleidet, während für alle andere Erscheinungen der Geschichte ein gewaltiges Interesse bei ihnen auftaucht. Diese Bemerkung kann ich durch eine Tatsache beweisen, die sich eben wieder durch jene Bemerkung erklären läßt. Die Zahl der Gemälde, worauf christliche Geschichten, sowohl des Alten Testaments als des Neuen, sowohl der Tradition als der Legende, dargestellt sind, ist im diesjährigen Salon so gering, daß manche Unter-Unterabteilung einer weltlichen Gattung weit mehr Stücke geliefert, und wahrhaftig bessere Stücke. Nach genauer Zählung finde ich unter den dreitausend Nummern des Katalogs nur neunundzwanzig jener heiligen Gemälde verzeichnet, während allein schon derjenigen Gemälde, worauf Szenen aus Walter Scotts Romanen dargestellt sind, über dreißig gezählt werden. Ich kann also, wenn ich von französischer Malerei rede, gar nicht mißverstanden werden, wenn ich die Ausdrücke »historische Gemälde« und »historische Schule« in ihrer natürlichsten Bedeutung gebrauche.
Delaroche
    ist der Chorführer einer solchen Schule. Dieser Maler hat keine Vorliebe für die Vergangenheit selbst, sondern für ihre Darstellung, für die Veranschaulichung ihres Geistes, für Geschichtschreibung mit Farben. Diese Neigung zeigt sich jetzt bei dem größten Teile der französischen Maler: der Salon war erfüllt mit Darstellungen aus der Geschichte, und die Namen Devéria, Steuben und Johannot verdienen die ausgezeichnetste Erwähnung.
    Delaroche, der große Historienmaler, hat vier Stücke zur diesjährigen Ausstellung geliefert. Zwei derselben beziehen sich auf die französische, die zwei andern auf die englische Geschichte. Die beiden ersten sind gleich kleinen Umfangs, fast wie sogenannte Kabinettstücke, und sehr figurenreich und pittoresk. Das eine stellt den Kardinal Richelieu vor, »der sterbekrank von Tarascon die Rhone hinauffährt und selbst in einem Kahne, der hinter seinem eigenen Kahne befestigt ist, den Cinq-Mars und den de Thou nach Lyon führt, um sie dort köpfen zu lassen«. Zwei Kähne, die hintereinander fahren, sind zwar eine unkünstlerische Konzeption; doch ist sie hier mit vielem Geschick behandelt. Die Farbengebung ist glänzend, ja blendend, und die Gestalten schwimmen fast im strahlenden Abendgold. Dieses kontrastiert um so wehmütiger mit dem Geschick, dem die drei Hauptfiguren entgegenfahren. Die zwei blühenden Jünglinge werden zur Hinrichtung geschleppt, und zwar von einem sterbenden Greise. Wie

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