Sämtliche Werke
große Offenbarung, die mit seligen Farben aus diesem Bilde leuchtet. Das Pariser Publikum hat dieses gemalte Evangelium besser aufgenommen, als wenn der heilige Lukas es geliefert hätte. Die Pariser haben jetzt gegen letztern sogar ein allzu ungünstiges Vorurteil.
Eine öde Gegend der Romagna im italienisch blühendsten Abendlichte erblicken wir auf dem Robertschen Gemälde. Der Mittelpunkt desselben ist ein Bauerwagen, der von zwei großen, mit schweren Ketten geschirrten Büffeln gezogen wird und mit einer Familie von Landleuten beladen ist, die eben haltmachen will. Rechts sitzen Schnitterinnen neben ihren Garben und ruhen aus von der Arbeit, während ein Dudelsackpfeifer musiziert und ein lustiger Gesell zu diesen Tönen tanzt, seelenvergnügt, und es ist, als hörte man die Melodie und die Worte:
Damigella, tutta bella,
Versa, versa il bel vino!
Links kommen ebenfalls Weiber mit Fruchtgarben, jung und schön, Blumen, belastet mit Ähren; auch kommen von derselben Seite zwei junge Schnitter, wovon der eine etwas wollüstig schmachtend mit zu Boden gesenktem Blick einherschwankt, der andere aber mit aufgehobener Sichel in die Höhe jubelt. Zwischen den beiden Büffeln des Wagens steht ein stämmiger, braunbrustiger Bursche, der nur der Knecht zu sein scheint und stehend Sieste hält. Oben auf dem Wagen, an der einen Seite, liegt, weich gebettet, der Großvater, ein milder, erschöpfter Greis, der aber vielleicht geistig den Familienwagen lenkt; an der anderen Seite erblickt man dessen Sohn, einen kühnruhigen, männlichen Mann, der mit untergeschlagenem Beine auf dem Rücken des einen Büffels sitzt und das sichtbare Zeichen des Herrschers, die Peitsche, in den Händen hat; etwas höher auf dem Wagen, fast erhaben, steht das junge schöne Eheweib des Mannes, ein Kind im Arm, eine Rose mit einer Knospe, und neben ihr steht eine eben so holdblühende Jünglingsgestalt, wahrscheinlich der Bruder, der die Leinwand der Zeltstange eben entfalten will. Da das Gemälde, wie ich höre, jetzt gestochen wird und vielleicht schon nächsten Monat als Kupferstich nach Deutschland reist, so erspare ich mir jede weitere Beschreibung. Aber ein Kupferstich wird ebensowenig wie irgendeine Beschreibung den eigentlichen Zauber des Bildes aussprechen können. Dieser besteht im Kolorit. Die Gestalten, die sämtlich dunkler sind als der Hintergrund, werden durch den Widerschein des Himmels so himmlisch beleuchtet, so wunderbar, daß sie an und für sich in freudigst hellen Farben erglänzen und dennoch alle Konturen sich streng abzeichnen. Einige Figuren scheinen Porträt zu sein. Doch der Maler hat nicht in der dummehrlichen Weise mancher seiner Kollegen die Natur treu nachgepinselt und die Gesichter diplomatisch genau abgeschrieben, sondern, wie ein geistreicher Freund bemerkte, Robert hat die Gestalten, die ihm die Natur geliefert, erst in sein Gemüt aufgenommen, und wie die Seelen im Fegfeuer, die dort nicht ihre Individualität, sondern ihre irdischen Schlacken einbüßen, ehe sie selig hinaufsteigen in den Himmel, so wurden jene Gestalten in der glühenden Flammentiefe des Künstlergemütes so fegfeurig gereinigt und geläutert, daß sie verklärt emporstiegen in den Himmel der Kunst, wo ebenfalls ewiges Leben und ewige Schönheit herrscht, wo Venus und Maria niemals ihre Anbeter verlieren, wo Romeo und Julie nimmer sterben, wo Helena ewig jung bleibt und Hekuba wenigstens nicht älter wird.
In der Farbengebung des Robertschen Bildes erkennt man das Studium des Raffael. An diesen erinnert mich ebenfalls die architektonische Schönheit der Gruppierung. Auch einzelne Gestalten, namentlich die Mutter mit dem Kinde, ähneln den Figuren auf den Gemälden des Raffael, und zwar aus seiner Vorfrühlingsperiode, wo er noch die strengen Typen des Perugino zwar sonderbar treu, aber doch holdselig gemildert wiedergab.
Es wird mir nicht einfallen, zwischen Robert und dem größten Maler der katholischen Weltzeit eine Parallele zu ziehen. Aber ich kann doch nicht umhin, ihre Verwandtschaft zu gestehen. Es ist indessen nur eine materielle Formenverwandtschaft, nicht eine geistige Wahlverwandtschaft. Raffael ist ganz gedrängt von katholischem Christentum, einer Religion, die den Kampf des Geistes mit der Materie oder des Himmels mit der Erde ausspricht, eine Unterdrückung der Materie beabsichtigt, jeden Protest derselben eine Sünde nennt und die Erde vergeistigen oder vielmehr die Erde dem Himmel aufopfern möchte. Robert gehört aber
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