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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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alles Verdienst abzusprechen. Es ist wahr, die hiesigen Journale wimmeln von Stellen, die bei uns in Deutschland selbst der nachsichtigste Zensor streichen würde; es ist wahr, die Artikel sind in den französischen Blättern besser geschrieben und logischer abgefaßt als in den deutschen, wo der Verfasser seine politische Sprache erst schaffen und durch die Urwälder seiner Ideen sich mühsam durchkämpfen muß; es ist wahr, der Franzose weiß seine Gedanken besser zu redigieren, und er entkleidet dieselben, vor den Augen des Publikums, bis zur deutlichsten Nacktheit, während der deutsche Journalist, weit mehr aus innerer Blödigkeit als aus Furcht vor dem tödlichen Rotstift, seine Gedanken mit allen möglichen Schleiern der Unmaßgeblichkeit zu verhüllen sucht; und dennoch, wenn man die französische Presse nicht nach ihrer äußern Erscheinung beurteilt, sondern sie in ihrem Innern, in ihren Bureaux, belauscht, muß man eingestehen, daß sie an einer besonderen Art von Unfreiheit leidet, die der deutschen Presse ganz fremd und vielleicht verderblicher ist als unsere transrhenanische Zensur. Alsdann muß man auch eingestehen, daß die Klarheit und Leichtigkeit, womit der Franzose seine Gedanken ordnet und abhandelt, aus einer dürren Einseitigkeit und mechanischen Beschränkung hervorgeht, die weit mißlicher ist als die blühende Konfusion und unbeholfene Überfülle des deutschen Journalisten! Hierüber eine kurze Andeutung:
    Die französische Tagespresse ist gewissermaßen eine Oligarchie, keine Demokratie; denn die Begründung eines französischen Journals ist mit so vielen Kosten und Schwierigkeiten verbunden, daß nur Personen, die imstande sind, die größten Summen aufs Spiel zu setzen, ein Journal errichten können. Es sind daher gewöhnlich Kapitalisten oder sonstige Industrielle, die das Geld herschießen zur Stiftung eines Journals; sie spekulieren dabei auf den Absatz, den das Blatt finden werde, wenn es sich als Organ einer bestimmten Partei geltend zu machen verstanden, oder sie hegen gar den Hintergedanken, das Journal späterhin, sobald es eine hinlängliche Anzahl Abonnenten gewonnen, mit noch größerem Profit an die Regierung zu verkaufen. Auf diese Weise, angewiesen auf die Ausbeutung der vorhandenen Parteien oder des Ministeriums, geraten die Journale in eine beschränkende Abhängigkeit und, was noch schlimmer ist, in eine Exklusivität, eine Ausschließlichkeit bei allen Mitteilungen, wogegen die Hemmnisse der deutschen Zensur nur wie heitere Rosenketten erscheinen dürften. Der Redakteur en chef eines französischen Journals ist ein Kondottiere, der durch seine Kolonnen die Interessen und Passionen der Partei, die ihn durch Absatz oder Subvention gedungen hat, verficht und verteidigt. Seine Unterredakteure, seine Lieutenants und Soldaten, gehorchen mit militärischer Subordination, und sie geben ihren Artikeln die verlangte Richtung und Farbe, und das Journal erhält dadurch jene Einheit und Präzision, die wir in der Ferne nicht genug bewundern können. Hier herrscht die strengste Disziplin des Gedankens und sogar des Ausdrucks. Hat irgendein unachtsamer Mitarbeiter das Kommando überhört, hat er nicht ganz so geschrieben, wie die Consigne lautete, so schneidet der Redakteur en chef ins Fleisch seines Aufsatzes mit einer militärischen Unbarmherzigkeit, wie sie bei keinem deutschen Zensor zu finden wäre. Ein deutscher Zensor ist ja auch ein Deutscher, und bei seiner gemütlichen Vielseitigkeit gibt er gern vernünftigen Gründen Gehör; aber der Redakteur en chef eines französischen Journals ist ein praktisch einseitiger Franzose, hat seine bestimmte Meinung, die er sich ein für allemal mit bestimmten Worten formuliert hat oder die ihm wohlformuliert von seinen Kommittenten überliefert worden. Käme nun gar jemand zu ihm und brächte ihm einen Aufsatz, der zu den erwähnten Zwecken seines Journals in keiner fördernden Beziehung stände, der etwa ein Thema behandelte, das kein unmittelbares Interesse hätte für das Publikum, dem das Blatt als Organ dient, so wird der Aufsatz streng zurückgewiesen, mit den sakramentalen Worten: »Cela n’entre pas dans l’idée de notre journal.« Da nun solchermaßen von den hiesigen Journalen jedes seine besondre politische Farbe und seinen bestimmten Ideenkreis hat, so ist leicht begreiflich, daß jemand, der etwas zu sagen hätte, was diesen Ideenkreis überschritte und auch keine Parteifarbe trüge, durchaus kein Organ für seine

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