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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Mitteilungen finden würde. Ja, sobald man sich entfernt von der Diskussion der Tagesinteressen, den sogenannten Aktualitäten, sobald man Ideen zu entwickeln hat, die den banalen Parteifragen fremd sind, sobald man etwa nur die Sache der Menschheit besprechen wollte, würden die Redakteure der hiesigen Journale einen solchen Artikel mit ironischer Höflichkeit zurückweisen; und da man hier nur durch die Journale oder durch ihre annoncierende Vermittlung mit dem Publikum reden kann, so ist die Charte, die jedem Franzosen die Veröffentlichung seiner Gedanken durch den Druck erlaubt, eine bittere Verhöhnung für geniale Denker und Weltbürger, und faktisch existiert für diese durchaus keine Preßfreiheit: – »cela n’entre pas dans l’idée de notre journal.«
    Vorstehende Andeutungen befördern vielleicht das Verständnis mancher unbegreiflichen Erscheinungen, und ich überlasse es dem deutschen Leser, allerlei nützliche Belehrung daraus zu schöpfen. Zunächst aber mögen sie zur Aufklärung dienen, weshalb die französische Presse in betreff der Juden von Damaskus nicht so unbedingt sich zugunsten derselben aussprach, wie man gewiß in Deutschland erwartete. Ja, der Berichterstatter der »Leipziger Zeitung« und der kleineren norddeutschen Blätter hat sich keine direkte Unwahrheit zuschulden kommen lassen, wenn er frohlockend referierte, daß die französische Presse bei dieser Gelegenheit keine sonderliche Sympathie für Israel an den Tag legte. Aber die ehrliche Seele hütete sich wohlweislich, den Grund dieser Erscheinung aufzudecken, der ganz einfach darin besteht, daß der Präsident des Ministerkonseils, Herr Thiers, von Anfang an für den Grafen Ratti-Menton, den französischen Konsul von Damaskus, Partei genommen und den Redakteuren aller Blätter, die jetzt unter seiner Botmäßigkeit stehen, in dieser Angelegenheit seine Ansicht kundgegeben. Es sind gewiß viele honette und sehr honette Leute unter diesen Journalisten, aber sie gehorchen jetzt mit militärischer Disziplin dem Kommando jenes Generalissimus der öffentlichen Meinung, in dessen Vorkabinett sie sich jeden Morgen zum Empfang der Ordre du jour zusammen befinden und gewiß ohne Lachen sich einander nicht ansehen können; französische Haruspices können ihre Lachmuskeln nicht so gut beherrschen wie die römischen, von denen Cicero spricht. In seinen Morgenaudienzen versichert Herr Thiers mit der Miene der höchsten Überzeugung, es sei eine ausgemachte Sache, daß die Juden Christenblut am Paschafeste söffen, chacun à son goût, alle Zeugenaussagen hätten bestätigt, daß der Rabbiner von Damaskus den Pater Thomas abgeschlachtet und sein Blut getrunken – das Fleisch sei wahrscheinlich von geringern Synagogenbeamten verschmaust worden; – da sähen wir einen traurigen Aberglauben, einen religiösen Fanatismus, der noch im Oriente herrschend sei, während die Juden des Okzidentes viel humaner und aufgeklärter geworden und mancher unter ihnen sich durch Vorurteilslosigkeit und einen gebildeten Geschmack auszeichne, z.B. Herr von Rothschild, der zwar nicht zur christlichen Kirche, aber desto eifriger zur christlichen Küche übergegangen und den größten Koch der Christenheit, den Liebling Talleyrands, ehemaligen Bischofs von Autun, in Dienst genommen. – So ungefähr konnte man den Sohn der Revolution reden hören, zum größten Ärger seiner Frau Mutter, die manchmal rot vor Zorn wird, wenn sie dergleichen von dem ungeratenen Sohne anhören muß oder wenn sie gar sieht, wie derselbe mit ihren ärgsten Feinden verkehrt, z.B. mit dem Grafen Montalembert, einem Jungjesuiten, der als das tätigste Werkzeug der ultramontanen Rotte bekannt ist. Dieser Anführer der sogenannten Neokatholiken dirigiert die Zelotenzeitung »L’Univers«, ein Blatt, welches mit ebensoviel Geist wie Perfidie geschrieben wird; auch der Graf besitzt Geist und Talent, ist jedoch ein seltsames Zwitterwesen von adeligem Hochmut und romantischer Bigotterie, und diese Mischung offenbart sich am naivsten in seiner Legende von der heiligen Elisabeth, einer ungarischen Prinzessin, die er en parenthèse für seine Cousine erklärt und die von so schrecklich christlicher Demut gewesen sein soll, daß sie mit ihrer frommen Zunge den räudigsten Bettlern die Schwären und den Grind leckte, ja daß sie vor lauter Frömmigkeit sogar ihren eignen Urin soff.
    Nach diesen Andeutungen begreift man jetzt sehr leicht die illiberale Sprache jener Oppositionsblätter, die zu

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