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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Reichtum und zu großes Elend, durch die politische Verderbnis, die eine Folge der Repräsentativverfassung, durch das entnervende Fabrikwesen, durch den ausgebildeten Handelsgeist, durch die religiöse Heuchelei, durch den Pietismus, dieses schlimmste Opium, sind die Engländer als Nation so unkriegerisch geworden wie die Chinesen, und ehe sie diese letztern überwinden, sind vielleicht die Franzosen imstande, wenn ihnen eine Landung gelänge, mit weniger als hunderttausend Mann ganz England zu erobern. Zur Zeit Napoleons schwebten die Engländer beständig in einer solchen Gefahr, und das Land ward nicht geschützt durch seine Bewohner, sondern durch das Meer. Hätte Frankreich damals eine Marine besessen, wie es sie jetzt besitzt, oder hätte man die Erfindung der Dampfschiffe schon so furchtbar auszubeuten gewußt wie heutzutage, so wäre Napoleon sicher an der englischen Küste gelandet, wie einst Wilhelm der Eroberer – und er würde keinen großen Widerstand gefunden haben: denn er hätte eben die Eroberungsrechte des normannischen Adels vernichtet, das bürgerliche Eigentum geschützt und die englische Freiheit mit der französischen Gleichheit vermählt!
    Weit greller, als ich sie ausgesprochen, stiegen die vorstehenden Gedanken gestern in mir auf beim Anblick des Zuges, der dem Leichenwagen der Juliushelden folgte. Es war eine ungeheure Volksmasse, die ernst und stolz dieser Totenfeier beiwohnte. Ein imposantes Schauspiel, und in diesem Augenblick sehr bedeutungsvoll. Fürchten sich die Franzosen vor den neuen Alliierten? Wenigstens in den drei Juliustagen spüren sie nie eine Anwandlung von Furcht, und ich kann sogar versichern, daß etwa hundertundfünfzig Deputierte, die noch in Paris sind, sich aufs bestimmteste für den Krieg ausgesprochen haben, im Fall die beleidigte Nationalehre dieses Opfer verlange. Was aber das wichtigste: Ludwig Philipp scheint dem ruhigen Erdulden jeder Unbill Valet gesagt und für den Fall der Not den durchgreifendsten Entschluß gefaßt zu haben. – Wenigstens sagt er es, und Herr Thiers versichert daß er den aufbrausenden Unwillen des Königs manchmal nur mit Mühe besänftige. Oder ist solche Kriegslust nur eine Kriegslist des göttlichen Dulders Odysseus?
XVII
    Paris, 30. Juli 1840
    Es gab gestern keine Börse, ebensowenig wie vorgestern, und die Kurse hatten Muße, sich von der großen Gemütsbewegung etwas zu erholen. Paris, wie Sparta, hat seinen Tempel der Furcht, und das ist die Börse, in deren Hallen man immer um so ängstlicher zittert, je stürmischer der Mut ist, der draußen tobt.
    Ich habe mich gestern sehr bitter über die Engländer ausgesprochen. Bei näherer Erkundigung erscheint ihre Schuld nicht so groß, wie ich anfangs glaubte. Wenigstens das englische Volk desavouiert seinen Mandatarius. Ein dicker Brite, der alle Jahr am 29. Julius hieherkommt, um seinen Töchtern das Feuerwerk auf dem Pont de la Concorde zu zeigen, versichert mir, es herrsche in England der größte Unwillen gegen den Coxcomb Palmerston, der voraussehen konnte, daß die Konvention wegen Ägypten die Franzosen aufs äußerste beleidigen müsse. Es sei in der Tat, gestehen die Engländer, eine Beleidigung von seiten Englands, aber es sei keine Verräterei: denn Frankreich habe seit langer Zeit darum gewußt, daß man Mehemed Ali aus Syrien mit Gewalt verjagen wolle; das französische Ministerium sei hiermit ganz einverstanden gewesen; es habe selber in betreff jener Provinz eine sehr zweideutige Rolle gespielt; die geheimen Lenker der syrischen Revolte seien Franzosen, deren katholischer Fanatismus nicht in Downing Street, sondern auf dem Boulevard des Capucines allerlei aufmunternde Sympathien finde; bereits in der Geschichte von den gefolterten Juden zu Damaskus habe sich das französische Ministerium zugunsten der katholischen Partei sehr kompromittiert; schon bei dieser Gelegenheit habe Lord Palmerston seine Mißachtung des französischen Premierministers hinlänglich beurkundet, indem er den Behauptungen desselben öffentlich widersprach usw. – Wie dem auch sei, Lord Palmerston hätte voraussehen können, daß die Konvention nicht ausführbar ist und daß also die Franzosen unnützerweise in Harnisch gesetzt würden, was immerhin seine gefährlichen Folgen haben kann. Je länger wir darüber nachdenken, desto mehr wundern wir uns über das ganze Ereignis. Es gibt hier Motive, die uns bis jetzt noch verborgen sind, vielleicht sehr feine, staatskluge Motive – vielleicht auch

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