Sämtliche Werke
ich mich, zu berichten, daß ebenso wie hier, in der Basse-Normandie, auch an der bretonischen Küste unter dem Seevolke die kriegsmutigste Aufregung herrscht und die ernsthaftesten Vorbereitungen zum Kriege gemacht werden. – –
Ach Gott! nur kein Krieg! Ich fürchte, daß das ganze französische Volk, wenn man es hart bedränge, jene rote Mütze wieder hervorholt, die ihm noch weit mehr als das dreieckige bonapartistische Wünschelhütchen das Haupt erhitzen dürfte! Ich möchte hier gern die Frage aufwerfen, inwieweit die dämonischen Zerstörungskräfte, die jenem alten Talisman in Frankreich gehorchen, auch im Auslande sich geltend machen könnten. Es wäre wichtig, zu untersuchen, von welcher Bedeutung die Gewalten sind, die einem Zaubermittel zugeschrieben werden, wovon die französische Presse in der jüngsten Zeit unter dem Namen »Propaganda« so geheimnisvoll und bedrohsam flüsterte und zischelte. Ich muß mich aus leicht begreiflichen Gründen aller solchen Untersuchungen enthalten, und in betreff der vielbesprochenen Propaganda erlaube ich mir nur eine parabolische Andeutung. Es ist Ihnen bekannt, daß in Lappland noch viel Heidentum herrscht und daß die Lappen, welche zur See gehen wollen, sich vorher, um den notwendigen Fahrwind einzukaufen, zu einem Hexenmeister begehen. Dieser überliefert ihnen ein Tuch, worin drei Knoten sind. Sobald man auf dem Meere ist und den ersten Knoten öffnet, bewegt sich die Luft, und es bläst ein guter Fahrwind. Öffnet man den zweiten Knoten, so entsteht schon eine weit stärkere Lufterschütterung, und es heult ein wütendes Wetter. Öffnet man aber gar den dritten Knoten, so erhebt sich der wildeste Sturm und peitscht das rasende Meer, und das Schiff kracht und geht unter mit Mann und Maus. Wenn der arme Lappe zu seinem Hexenmeister kommt, beteuert er freilich, er habe genug an einem einzigen Knoten, an gutem Fahrwind, er brauche keinen stärkeren Wind und am allerwenigsten einen gefährlichen Sturm; aber es hilft ihm nichts, man verkauft ihm den Wind nur en gros, er muß für alle drei Sorten zahlen, und wehe ihm, wenn er etwa späterhin auf dem hohen Meere zuviel Branntwein trinkt und im Rausche die bedenklicheren Knoten aufknüpft! – Die Franzosen sind nicht so läppisch wie die Lappen, obgleich sie leichtsinnig genug wären, die Stürme zu entzügeln, wodurch sie selber zugrunde gehen müßten. Bis jetzt sind sie noch weit genug davon entfernt. Wie man mir mit Betrübnis versichert, hat sich das französische Ministerium nicht sehr kauflustig gezeigt, als ihm einige preußische und polnische Windmacher (die aber keine Hexenmeister sind!) ihren Wind anboten.
XIX
Paris, 21. September 1840
Ohne sonderliche Ausbeute bin ich dieser Tage von einem Streifzuge durch die Bretagne zurückgekehrt. Ein armselig ödes Land, und die Menschen dumm und schmutzig. Von den schönen Volksliedern, die ich dort zu sammeln gedachte, vernahm ich keinen Laut. Dergleichen existiert nur noch in alten Sangbüchern, deren ich einige aufkaufte; da sie jedoch in bretonischen Dialekten geschrieben sind, muß ich sie mir erst ins Französische übersetzen lassen, ehe ich etwas davon mitteilen kann. Das einzige Lied, was ich auf meiner Reise singen hörte, war ein deutsches; während ich mich in Rennes barbieren ließ, meckerte jemand auf der Straße den Jungfernkranz aus dem »Freischütz« in deutscher Sprache. Den Sänger selbst hab ich nicht gesehen, aber seine veilchenblaue Seide klang mir tagelang noch im Gedächtnis. Es wimmelt jetzt in Frankreich von deutschen Bettlern, die sich mit Singen ernähren und den Ruhm der deutschen Tonkunst nicht sehr fördern.
Über die politische Stimmung der Bretagne kann ich nicht viel berichten, die Leute sprechen sich hier nicht so leicht aus wie in der Normandie; die Leidenschaften sind hier ebenso schweigsam wie tief, und der Freund wie der Feind der Tagesregierung brütet hier mit stummem Grimm. Wie im Beginn der Revolution gibt es auch jetzt noch in der Bretagne die glühendsten Enthusiasten der Revolution, und ihr Eifer wird durch die Schrecknisse, womit die Gegenpartei sie bedroht, bis zur blutdürstigsten Wut gesteigert. Es ist ein Irrtum, wenn man glaubt, daß die Bauern in der Bretagne aus Liebe für die ehemalige Adelsherrschaft bei jedem legitimistischen Aufruf zu den Waffen griffen. Im Gegenteil, die Greuel des alten Regimes sind noch im farbigsten Andenken, und die edlen Herren haben in der Bretagne entsetzlich genug
Weitere Kostenlose Bücher