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Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich von Kleist
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ergriff, in Gegenwart ihres Dieners zu unterdrücken und dem Vorfall irgendeine gleichgültige und zufällige Ursache, die sich entdecken lassen müsse, unterzuschieben. Am Abend des dritten Tages, da beide, um der Sache auf den Grund zu kommen, mit Herzklopfen wieder die Treppe zu dem Fremdenzimmer bestiegen, fand sich zufällig der Haushund, den man von der Kette losgelassen hatte, vor der Tür desselben ein; dergestalt daß beide, ohne sich bestimmt zu erklären, vielleicht in der unwillkürlichen Absicht, außer sich selbst noch etwas Drittes, Lebendiges, bei sich zu haben, den Hund mit sich in das Zimmer nahmen. Das Ehepaar, zwei Lichter auf dem Tisch, die Marquise unausgezogen, der Marchese Degen und Pistolen, die er aus dem Schrank genommen, neben sich, setzen sich gegen elf Uhr jeder auf sein Bett; und während sie sich mit Gesprächen, so gut sie vermögen, zu unterhalten suchen, legt sich der Hund, Kopf und Beine zusammengekauert, in der Mitte des Zimmers nieder und schläft ein, Drauf, in dem Augenblick der Mitternacht, läßt sich das entsetzliche Geräusch wieder hören; jemand, den kein Mensch mit Augen sehen kann, hebt sich auf Krücken im Zimmerwinkel empor; man hört das Stroh, das unter ihm rauscht; und mit dem ersten Schritt: tapp! tapp! erwacht der Hund, hebt sich plötzlich, die Ohren spitzend, vom Boden empor, und knurrend und bellend, grad’ als ob ein Mensch auf ihn eingeschritten käme, rückwärts gegen den Ofen weicht er aus. Bei diesem Anblick stürzt die Marquise mit sträubenden Haaren aus dem Zimmer; und während der Marchese, der den Degen ergriffen: »Wer da?« ruft, und, da ihm niemand antwortet, gleich einem Rasenden nach allen Richtungen die Luft durchhaut, läßt sie anspannen, entschlossen, augenblicklich nach der Stadt abzufahren. Aber ehe sie noch nach Zusammenraffung einiger Sachen aus dem Tore herausgerasselt, sieht sie schon das Schloß ringsum in Flammen aufgehen. Der Marchese, von Entsetzen überreizt, hatte eine Kerze genommen und dasselbe, überall mit Holz getäfelt wie es war, an allen vier Ecken, müde seines Lebens, angesteckt. Vergebens schickte sie Leute hinein, den Unglücklichen zu retten; er war auf die elendiglichste Weise bereits umgekommen; und noch jetzt liegen, von den Landleuten zusammengetragen, seine weißen Gebeine in dem Winkel des Zimmers, von welchem er das Bettelweib von Locarno hatte aufstehen heißen.

DIE HEILIGE CÄCILIE ODER DIE GEWALT DER MUSI K

     
     
    Diese Erzählung wurde zuerst in den Berliner Abendblättern vom 15. und 16. November 1810 veröffentlicht, und zwar mit der Widmung „Zum Taufangebinde für Cäcilie M.“. Gemeint ist die Cäcilie Müller, die älteste Tochter von Adam Müller. Den historischen Hintergrund für die Erzählung bietet ein Bildersturm in den Niederlanden, bei dem radikale Calvinisten im August 1566 über 400 Kirchen verwüsteten.
    Kleist beschreibt das Vorhaben von vier Brüdern aus Holland, als Bilderstürmer den Dom von Aachen zu verwüsten. Die Erzählung wird als Sage ausgegeben, da in der Erzählung ein Wunder, das im Aachener Dom im 16. Jahrhundert stattfand, beschrieben wird: trotz der Kenntnis über das Vorhaben der Bilderstürmer lassen die Nonnen nicht davon ab, das Fronleichnamfest im Dom zu feiern. Das Wunder besteht darin, dass die Brüder von der Musik derart bezaubert werden, dass sie von ihrem Vorhaben ablassen und die Kirche nicht verwüsten. Sie schwenken ins andere Extrem, denn sie werden extrem gläubig. Als die Mutter der vier Brüder später bei der Äbtissin nachfragt, erfährt sie, dass Cäcilie, die Kantorin der Nonnen, an diesem Tag unter Zeugen auf ihrem Zimmer war. Dem Glauben der Nonnen nach hatte die heilige Cäcilia, die Patronin der Kirchenmusik, statt der erkrankten Kantorin den Gottesdienst geleitet.

DIE HEILIGE CÄCILIE
     
    ODER
     
    DIE GEWALT DER MUSIK
     
    Eine Legende
     
    Um das Ende des sechzehnten Jahrhunderts, als die Bilderstürmerei in den Niederlanden wütete, trafen drei Brüder, junge in Wittenberg studierende Leute, mit einem vierten, der in Antwerpen als Prädikant angestellt war, in der Stadt Aachen zusammen. Sie wollten daselbst eine Erbschaft erheben, die ihnen von Seiten eines alten, ihnen allen unbekannten Oheims zugefallen war, und kehrten, weil niemand in dem Ort war, an den sie sich hätten wenden können, in einem Gasthof ein. Nach Verlauf einiger Tage, die sie damit zugebracht hatten, den Prädikanten über die merkwürdigen Auftritte, die in den

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