Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
mehrere, sie waren mit einem gewöhnlichen Schimmel überzogen und zerfielen an der Luft in Asche, um beiden Arm- und Beinröhren, dicht über den Hand- und Fußgelenken, lagen starke eiserne Bänder. Auf einmal ruft Joseph in die Grube hinein: »Mutter, der Herr will, daß ihr dort mehr rechts grabet; dort, wo er mit dem Degen hinzeigt, da liege sein Kopf, spricht er.« Die Mutter gehorcht und nach einigen Spatenstichen hebt sie einen Totenkopf heraus, dessen Stirn ein großer eiserner Ring umgibt. Nun war’s mit der Mutter am Ende; mit jedem Knochen, den sie herausgegraben, hatte die Angst und das innere Lärmen sich gemehrt; halb in Verzweiflung hatte sie nach dem Schädel gesucht, sein Anblick gab ihr den Rest, sie warf den Spaten hin, und floh laut schreiend dem Dorfe zu. Joseph begriff die Mutter nicht, ihm war nie so wohl in seiner Haut gewesen. Als er den fremden Herrn fragen wollte, was denn das bedeute, war dieser verschwunden; kopfschüttelnd nahm Joseph seine fünf Ringe um den Spaten, spielte noch ein wenig mit der Knochenasche, und ging dann jubelnd dem Dorfe zu. Die fünf Ringe wurden später bei den Gerichten deponiert, wo sie noch jetzt zu sehen sind.
Als die Kommission die Untersuchung dieser Geschichte geendigt hatte, ohne die Sache selbst ins reine gebracht zu haben, entschloß sich eine hohe Amtsobrigkeit, durch die fünf Ringe aufgemuntert, den verheißenen fünf Truhen nachzuspüren: es ward von Amts wegen weiter nachgegraben. Im November 1809, wo Erzähler die Grube selbst gesehn, war man schon zu einer beträchtlichen Tiefe gelangt. Da die weitere Fortsetzung der Arbeit die Kräfte gewöhnlicher Tagelöhner überstieg, so ließ man, um nicht den Vorwurf halber Maßregeln auf sich zu laden, endlich gar Bergleute kommen. Diese erweiterten den Bau und trieben Gänge rechts und links; nicht lange, so wollte man es haben hohl klingen hören, man grub und grub; umsonst, die Truhen zeigten sich nicht; man kam auf Schutt, die Hoffnung wuchs; der Schutt wurde durchwühlt, er verlor sich, die Hoffnung sank. In der Verlegenheit, worin man sich befand, fiel es einem gescheiten Kopfe ein, daß Schätze ihre Kaprizen haben, die respektiert sein wollen, daß sie nicht jeder rohen Faust in die Hände laufen, sondern sich nur von sympathetischen Fingern berühren lassen, und tat daher den Vorschlag, den Joseph kommen zu lassen, um künftig bei der Arbeit gegenwärtig zu sein.
Da man schon im Dezember ziemlich weit vorgerückt war, so packte man den armen Jungen warm ein, gab ihm einen kleinen Spaten in die Hand, und hieß ihm hin und her ein Schaufelchen Erde herausheben. Man versprach sich sehr viel von dieser List, doch es schien, als wäre es dem Geiste mehr um seine Knochen als um die Truhen zu tun gewesen, denn auch die Gegenwart unsers Josephs verfing nichts. Der zunehmende Frost machte endlich dem Suchen ein Ende; im Frühjahr, beschloß man, sollte die Arbeit fortgesetzt werden, hat es jedoch unterlassen. Übrigens hat der Geist gegen Joseph nicht ganz undankbar gehandelt, als es auf den ersten Anblick scheinen möchte; denn wenn er ihm auch den gehofften Schatz, den er ihm übrigens nie versprach, entrückte, so hatte er doch wahrscheinlich veranstaltet, daß die Leute von nah und von fern herbeiströmten, um den kleinen Geisterseher zu sehn und reichlich zu beschenken.
Aufsatz, den sichern Weg des Glücks zu finden und ungestört – auch unter den größten Drangsalen des Lebens – ihn zu genießen!
An Rühle [von Lilienstern]
Von Heinrich Kleist
Wir sehen die Großen dieser Erde im Besitze der Güter dieser Welt. Sie leben in Herrlichkeit und Überfluß, die Schätze der Kunst und der Natur scheinen sich um sie und für sie zu versammeln, und darum nennt man sie Günstlinge des Glücks. Aber der Unmut trübt ihre Blicke, der Schmerz bleicht ihre Wangen, der Kummer spricht aus allen ihren Zügen.
Dagegen sehen wir einen armen Tagelöhner, der im Schweiße seines Angesichts sein Brot erwirbt; Mangel und Armut umgeben ihn, sein ganzes Leben scheint ein ewiges Sorgen und Schaffen und Darben. Aber die Zufriedenheit blickt aus seinen Augen, die Freude lächelt auf seinem Antlitz, Frohsinn und Vergessenheit umschweben die ganze Gestalt.
Was die Menschen also Glück und Unglück nennen, das sehn Sie wohl, mein Freund, ist es nicht immer ; denn bei allen Begünstigungen des äußern Glückes haben wir Tränen in den Augen des erstem, und bei allen Vernachlässigungen desselben, ein Lächeln
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