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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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alles ruhte schon. Nur hie und da beit’ ein wachsamer Kettenhund. So schön lagen die schlechten Häuser vom Mond versilbert, nach einander hin. Ich fürte meine Helois’ am Arm. Das war ein Abend - vol von Wonnegefülen, und vol der Todesschauer.
    Erst als ich an der Türschwelle mit ihr stand, fiel’s mir ein, daß ich Abschied von ihr auf eine Zeitlang nemen müste. Sie stand so liebend vor mir da, ganz in Engelsgestalt, aus der das Menschliche so sanft nüanzirt, herausschmachtete. Ihr rotgeweintes Aug’ hob sie so mild auf, mir in’s Angesicht zu blikken.
    Ihre Hand brant’ in meiner — Endlich eröfnet’ ich ihr, daß ich nun nach Haus zu meinem Vater müste - und daß ich bestirnt sei, in wenig Wochen auf die Akademie mich zu begeben. Liebe! sagt’ ich, nun werden wir uns eine Zeitlang nicht sehen - Leben Sie wol! Ein Kus versiegelte diese Worte. Aber ich konte mich von ihr nicht losreissen - Wir standen noch eine Zeitlang da - — immer näher zog’s mich hinan. Endlich tat ich mir Gewalt an - sie rief mir nach: Vergessen Sie den heutigen Abend nicht.
    Zu früh’ nam ich und mein Freund von den alten erwürdigen Leuten Abschied. Die Tränen rolten mir die Bakken herunter, da mir der Alte so bieder Glük wünschte zu meinem Studieren. Noch einmal blikt’ ich zum Fenster hinauf, we meine Heloise heraussahe: Sie neigte sich - und wir beide wischten die Tränen ab. Hier nun bin ich bei meinem Vater. Mein Geist sent sich nach Veränderung, ist überdrüssig des ewigen Einerlei’s - alle Bücher stinken mich an. Täglich hoff’ ich auf den Tag, we ich auf O- reisen kan. Adieu! Lieber!
    am 20 Septemb.
    Meine Phantasie malt mir iezt nichts anders als schwarze Bilder, Zerstörung, Unglük. Täglich schwebt mir mein Scheiden von al den Bekamen, al den Liebenden, al den Guten vor. Und noch dazu gerade diese Jarszeit - Einsam geh’ ich umher in meinem Gram. Wenn ich höre das heilige Brausen des Zerstörens von den Gipfeln der Hain’ und das Gerassel welkender Blätter von den Ästen herunter - wenn ich sehe das Vergehen der Natur so algemein um mich her - wenn ich iedes Geschöpf der unbelebten Natur zükkend ersterben sehe - wenn die Wies’ ihren Glanz verliert, die Blume mit al ihren Reizen zur algemeinen Grabstätt’ hingeliefert wird - wenn ich überal Tod füle, liberal Untergang merke — und dan in meinem Herzen al das Wüten der Unglüksstürme, die ich schon brausen hör’ in dunkler Zukunft - in meinem Herzen der Gedanken, bald must du alles verlassen, bald must du gehen von denen, die dich lieben, und dich scheiden von der, die deiner Wonne Quel ist — und wenn dan der sinkende Geist, umdämmert von einer so froh durchleb-, ten Vergangenheit mit al ihren Freuden, traurig einer schwarzen Zukunft entgegenzittert, die Unglükswolken über seinem Scheitel zusammentreibt — ach! dan glaubt der arme Endliche vergehen zu müssen in dem Sturm des Todes um ihn her, dan glaub’ ich zu fallen, wie das gelbe Blat, das vom Baum’ herabwelkt, hin zu sein in herb[st]licher Verwüstung! —
     
     
    am 30 September.
    Morgen geh’ ich ab. Stum geh’ ich den ganzen Tag herum. O! wie wird mir’s, wenn ich an’s Abschiednemen gedenke! Morgen werd’ ich nur bis zum Dorfe reisen, we meine Heloise wont; und bei meinem Freund übernachten. Dan sol ich scheiden von meinem Karl - scheiden von meiner Heloise — ich schaudere! Got! wenn’s vorbei wäre! -
     
     
    am 1 Oktober.
    Abend ist’s. Ich bin im Hause meines Freundes. Ach so] ich dir den Abschied von meinen Eltern erzälen? Das ist mir schwer! Gestern Abends sas ich mit meinem Vater so vertraulich noch einmal beisammen; wie liebreich er mir die Regeln gab, mein künftiges Leben darnach einzurichten. Es wurde mir schwer als das leztemal »Gute Nacht!« zu sagen. Bald war die Nacht verschlummert, die ich mit wehmütigen Träumen verträumte. Wehmütig schon stand ich auf. Unten im Hause hatte man ein Gelärme. Da hört’ ich die Koffer’s zumachen, die Schlagfässer zuschlagen - Endlich kam meine Mutter in mein Zimmer. - Lieber Son! sagte sie, hast ausgeschlafen - dies ist’s leztemal in der Stube. Ach! mein Son! mein Son! du gehst iezt fort von mir - Wenn werd’ ich dich Wiedersehen - Sie weinte: ich weinte. Gieng hinunter in die Stube. Ich muste das Schnupftuch vor die Augen nemen, um die rollenden Tränen zu verbergen. Denn mir ist’s ärgerlich, von ändern sich in’s weinende Auge sehen zu lassen. Als ich in die Stube trat, fiel mir mein

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